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Die Academy und ihr Hang zu Kostümschinken

■ „Braveheart“ – die Geschichte eines Befreiungskrieges zwischen Feuersbrünsten

Und jetzt ausbremsen: Was die Zeremonie selbst an Begeisterung mobilisieren kann, wird durch die Entscheidungen zum Teil rüde wieder zerstreut. Warum um alles in der Welt mußte man ein derartiges Füllhorn über Mel Gibsons „Braveheart“ ausschütten? Aber jedermann weiß, daß die großen Kostümschinken bei den Mitgliedern der Academy immer schon die größten Chancen hatten – alles, was nach Handwerk, Gilde und Ausstattung aussieht, mögen sie. Deshalb mögen sie auch keine Komiker – die haben ihre Karriere oft an den Schauspieler-Schulbänken vorbei gemacht, und das nehmen ihnen die Büffler natürlich übel. „Bester Film“ also, bei einer Konkurrenz von „Apollo 13“, „Sense and Sensibility“ oder „Ein Schweinchen namens Babe“, die diese Auszeichnung allesamt eher verdient hätten. Das schottische Ritterepos, das Wohl und Wehe des Befreiungskriegers William Wallace zwischen Feuersbrünsten, englischen Folterern, Kartoffeln am Spieß und Sophie Marceau im Schweinekoben (wer's mag!) situiert, erinnert mit unfreiwilliger Komik an Dinge, die sich Heavy-Metal-Fans als Fototapete gönnen: Gibson mit langem Wall-Haar, nietenbesetzter brauner Lederweste, das Gesicht bemalt wie ein Hulk Hogan, mit einer Neigung zum gutturalen Schrei. Born to be wild. Der einzig wirklich erfreuliche Moment ist eine Phalanx aus Schottenröcken, die bei pyrotechnischer Unterlegenheit gegenüber den Engländern nur noch ein schlagendes Argument haben: die Spezialeffekte unter ihren Röcken. „Braveheart“ bekam auch die Oscars für „beste Regie“, „Maske“, „Kamera“ sowie „Toneffekte“. Schwamm drüber.

Susan Sarandon erhielt den Oscar als beste Hauptdarstellerin für ihre Darstellung der Sister Helen Prejean in „Dead Man Walking“ und bedankte sich, kaum sprechen könnend, bei Sean Penn, nicht zuletzt für seinen (scheußlichen) Haarschnitt, und bei ihrem Lebensgefährten Tim Robbins, für alles. Gegen sie waren Meryl Streep, Sharon Stone, Elisabeth Shue und Emma Thompson angetreten – zum Teil wirkliche Konkurrenz. Bei den Herren sah es anders aus: während Anthony Hopkins für seinen Nixon leer ausging, wie auch Sean Penn – beides Leistungen, nach denen Schauspiel nicht mehr ist, was es war – bekam Nicolas Cage den Oscar für seine unglaublich abstiegsverliebte Säufernummer in „Leaving Las Vegas“. Die beste Filmmusik war natürlich „Pocahontas“. Bester fremdsprachiger Film – eine Kategorie, über die sogar viele Anwesende schmunzeln müssen, so künstlich ist sie – war der niederländische Beitrag „Antonia's Line“.

Ein Trost: Emma Thompson, die charmanterweise „Thanks Almighty“ zu Whoopi Goldberg sagte, bekam den Oscar für das beste Drehbuch – fair enough, wo sie doch Jane Austens Vorlage um einige liebenswerte Herren ergänzte.

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