: Schutz vor Abschiebung
■ Menschenrechtskonventionen schützen straffällig gewordene KurdInnen vor der Abschiebung in die Türkei
Brüssel (taz) – Dürfen straffällig gewordene Kurden in die Türkei abgeschoben werden, wenn ihnen dort Folter oder unmenschliche Behandlung droht? Nein, lautet die eindeutige Antwort des Bremer Ausländeranwalts Eberhard Schultz. Gegenüber der taz wies er gestern darauf hin, daß an dieser klaren Rechtslage auch die vom Bundeskabinett beschlossene erleichterte Ausweisung von Ausländern nichts verändern könne.
Am Mittwoch hatte die Bundesregierung sich darauf geeinigt, straffällig gewordene Kurden automatisch auszuweisen, wenn sie zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt wurden. Auch soll künftig jede Verurteilung wegen Landfriedensbruchs zu einer Ausweisung führen. Doch trotz aller Law-and-order-Rhetorik können mit diesen Maßnahmen keine völkerrechtlichen Verpflichtungen umgangen werden.
Vor der Abschiebung in Staaten, in denen Folter oder Todesstrafe drohen, sind AusländerInnen durch zwei Konventionen geschützt: die Europäische Menschenrechts- und die Anti-Folter- Konvention der UNO. Beide sind im deutschen Ausländergesetz umgesetzt. Dort sind im Falle drohender Folter und Todesstrafe konkrete Abschiebungshindernisse enthalten (Paragraph 53). Die Hindernisse muß jede Ausländerbehörde vor einer Ausweisung prüfen. Wird die Prüfung nicht gründlich genug durchgeführt, kann der/die betroffene AusländerIn den Bescheid beim Verwaltungsgericht überprüfen lassen.
KurdInnen haben aber ein besonderes Problem: Seit Mai 95 besteht eine deutsch-türkische Absprache, nach der die Türkei auf Anfrage mitteilt, ob Kurden, die abgeschoben werden sollen, von den dortigen Behörden gesucht werden. Bisher waren nach Informationen der Bundesregierung erst sieben Abschiebungen aufgrund solcher Anfragen durchgeführt worden. Innenminister Kanther will diese Praxis nun massiv ausweiten.
Daß diese Praxis der Menschenrechtskonvention standhält, bezweifelt Anwalt Schultz entschieden: „Sobald ich den ersten Fall dieser Art bekomme, lege ich in Straßburg Beschwerde ein.“ Schultz hält schon die Grundkonstruktion der Absprache für sinnwidrig: „Es kann doch nicht angehen, daß man auf die Aussage eines Folterstaats vertraut, es werde nicht gefoltert.“ Noch hat auch das deutsche Bundesverfassungsgericht die Absprache nicht abschließend bewertet. Die letzte Entscheidung legte den Gerichten jedoch nahe, sich nicht nur auf Zusagen der Türkei zu verlassen. Christian Rath
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