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Ein wirklich ziemlich starker Abend

■ Beim STRONGMAN-CONTEST in der Gastwirtschaft „Donnerbalken“ war der taz-Gastringer Ulrich Reineking-Drügemöller

Mitten in der Woche sammeln sich gegen 22 Uhr im „Donnerbalken“ all jene, die ansonsten hier vor allem das Saturday-night Fever zelebrieren. Systematische Erlebnisgastronomie mit Bier im Metermaß und kleinem Feigling im rustikalen Ambiente unterschiedlicher Stilepochen des Kneipendekors. Da ist der Tankwart Ritschie mit dem tiefergelegten Seat Marbella und die faszinierende Cordula, die unter den blondgefärbten Haarspitzen Reklame läuft für das Sonnenstudio in Huchting und ansonsten im Kassenbereich von Dodenhof oder Wertkauf die Wartenden gegen sich einnimmt, wenn sie trotz langer Warteschlange für Minuten das Scannen einstellt, um sich die pinkfarbenden Nägel zu feilen und nach Ansicht von Frau Klotzbach von der Kasse nebenan nur noch nicht geflogen ist, weil sie dem stellvertretenden Abteilungsleiter immer so beiläufig-bedeutungsvoll über den Handballen streicht, wenn sie mit ihm die Storno-Bons abrechnet.

In der flirt-aktiven Atmosphäre des Donnerbalken steht heute die erste „Bremer Nacht der starken Männer“ auf dem Spielplan. Verantwortlich für Choreographie und Inszenierung des Spektakels zeichnet August Smisl, der Naturbursch aus den steirischen Bergen, Kennern auch als Catcheuropameister im Teamkampf bekannt und teilnehmen wollen am STRONGMAN-CONTEST dieser Nacht der Thomas und der Tommy, der Ulf und der Michael und der andere Michael und der Peter und und wenn diese Herren nicht gerade als Ver- und Entsorger tätig sind, als Kraftfahrer im Schwertransport oder auch als Türsteher im Donnerbalken selbst, dann stählen sie sich eisenhart im Fitneßstudio an der Häschenstraße oder auch in ausgerechnet Schwanewede für Freizeitkarrieren als nord- und gesamtdeutsche Meister oder Vizemeister im Bankdrücken oder Autostemmen. Bekennen sich zu Hobbies wie Sex und Boxen und American Football und sind allemal body-gebildet genug, um bei jedem Headhunting für den Posten eines einhändigen Klavierträgers in der ersten Reihe der Bewerber zu stehen.

Mit kraftmeierischen Hymnen wie dem Gladiatorenmarsch oder auch dem Henriiii Masssskkkö-Medley stürmen die Jungs das Thekengeviert, in dem sie ihre Muskeln spielen lassen sollen, doch was heißt da schon spielen: Harte Arbeit liegt vor ihnen, denn Meter-stangen Baustahl im Durchmesser von 12-20 mm sind hier ganz ohne Schweißbrenner oder sonstigem Gerät über Kopf und Nacken mit der Hebelwirkung beider Arme so zu verbiegen, daß eine stählerne Halskrause entsteht. Da wird geächzt und gestöhnt, da fließt der Schweiß whiskeybecherweise vom Körper und in den allgegenwärtigen Duft der im weiblichen Publikum vertretenen Kosmetikdepots mischt sich zunehmend der ehrliche Charme von Männerschweiß und anderen sexuellen Lockstoffen.

Angefeuert wird dieses martialische Tun mit einem Kreischen, wie es wohl nur die Jüngeren unter den LeserInnen dieser Zeilen aus ihrem ganz privaten Leben kennen: Vor uns entfalten sich Passionsspiele ungezügelter Kräfte, und das vor Schmerz und Anstrengung verzerrte Antlitz der Akteure könnte ohne weiteres als Vorlage für Herrgottsschnitzer in Oberammergau dienen, die unseren Herrn und Heilland als einen Triumphator im Leiden darstellen wollen. Und in der Tat zieht Matador Ulf sich einen Muskelriß zu, der sofortiger Behandlung im Krankenhaus Links der Weser bedarf: Was den kernigen Hannoveraner aber nicht daran hindert, schon eine knappe Stunde später wieder auf der Matte zu stehen, in der Disziplin Bierkrugstemmen.

Hierbei gilt es, mit Beton ausgegossene Humpen von 7 Kilo Gewicht am ausgestreckten Arm möglichst lange hochzuhalten: Eine Übung, die dem Anfänger schon mit herkömmlich gefüllten Bierkrügen Probleme macht und deshalb wohl auch das zügige Trinken begünstigt. Die Donnerbalken-Athleten aber, sie beginnen erst bei einer Minute leicht zu zittern, überwinden unter schrillen Kieksern der anwesenden Ladies schließlich den toten Punkt und erreichen so Spitzenwerte von 100 Sekunden und mehr.

Die Siegerehrung. Da gibt es den Pokal und die Magnum-Flasche mit Champagner, die Whiskey-Pulle vom besseren und die spontane 100 Mark-Spende der hollandische Zuschauer vom Tisch 5, die übrigens den olympischen Gedanken hochhalten, indem sie noch dem Letztplazierten mit einer 50 Mark-Prämie erfreuen. Da gibt es aber vor allem feurige Blicke der Damen, die alles, aber wirklich alles, zu versprechen scheinen. Und immer wieder kumpelige Schläge auf die breiten Schultern und für die besser Plazierten überdies die Chance, am 10. April beim großen Finale dabeizusein, wenn die definitive Bremer STRONGMAN-Würde vergeben wird.

Und der Siger darf in die USA fliegen und trifft dort vielleicht Arnold Schwarzenegger oder Hulk Hogan und später dann kann er über einem Polaroid-Foto Tränen der Rührung vergießen und seinen EnkelInnen erzählen, in Fortsetzung der Tradition meines ehmaligen Stammkneipiers in der Kreuzberger Adalbertstraße: „Ick war damals Nordberliner Meister im Faßstemmen und hier dette da im Bild janz links, det bin icke wa beim Empfang der Charlottenburger Brauerei mit Max Schmeling!“

Der Rest des Abends findet sich schon 1906 durch den großen Wiener Ringkampfreund Egon Friedell so beschrieben: „Und im übrigen glaube ich, daß die Menschheit den Alkohol so lange brauchen wird als sie genötigt ist, sich über ihre eigene Unzulänglichkeit hinwegzutäuschen; also vermutlich noch ziemlich lange.“

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