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Die Erfindung Europas durch Hitlers Soldaten

Franz W. Seidler, Professor für Neuere Geschichte an der Universität der Bundeswehr in München, ehrt in seinem Buch „Die Kollaboration“ die Zusammenarbeit mit der Wehrmacht und den Nazis als gute Tat gegen Bolschewismus, Freimaurerei und „internationales Judentum“  ■ Von Klaus Theweleit

Ein ekelhaftes Buch. Ich schreibe selten Rezensionen, und „Verrisse“ prinzipiell nicht. Verreißende Autoren schreiben meist schlecht, statt eines Buchs stellen sie sich dar, ihre Freude an der Zerstörung der Arbeit eines anderen, unangenehm. Ich ignoriere eher, was mich nicht beflügelt. Franz Seidlers „Die Kollaboration 1939–1945“ bekam ich zugeschickt und ließ mich überreden zu einer Kurzbesprechung fürs Radio. Ich habe dabei nicht rechtzeitig gesehen, was ich in der Hand habe mit diesem „Buch“. Es ist nämlich eigentlich keins. Es kommt daher als eine Art Lexikon, es versammelt in Artikeln von zwei bis drei Seiten Länge 177 Leute, die während des Zweiten Weltkriegs mit den Nazis zusammengearbeitet, kollaboriert haben. Die Auswahl ist interessant, nicht nur die bekannten „Quislings“ sind da, sondern z. B. 13 weitere Norweger, 38 Franzosen, 13 Schweizer, vier Slowaken, zwei Serben, ein Inder, mehrere Russen, Griechen, Ungarn, Ukrainer etc., die für die Nazis gearbeitet haben. Alles Nicht-Deutsche, aber auch keine Italiener und Bulgaren sind dabei, die „kollaborierten“ nicht, das waren die offiziellen Verbündeten des „Reichs“.

Jeweils einen längeren Artikel haben Knut Hamsun, Ezra Pound, Louis-Ferdinand Céline, Bernard Faý, über die ich selbst geschrieben habe; ich sollte also sagen können, wie Seidlers „Kollaboration“ von 1995 im Faktischen mit jenen umgeht. Beim Blättern schien mir, daß er es so macht, wie Lexika meist: Es werden Daten aufgeführt, die im wesentlichen zutreffen oder zutreffen könnten, aber wenn es auf die Werke der betreffenden Autoren kommt und auf deren Zusammenhang mit der Tatsache der Kollaboration, dann ist das Lexikonlatein meist am Ende; so schien es auch hier.

Von keiner Kenntnis getrübt

Zu Hamsuns Büchern der zerrissenen inneren Monologe z. B. liest man: „Boden, Arbeit, Aussaat und Ernte, die Probleme der bäuerlichen Existenz, waren Inhalt seiner Werke.“ Daraus folge dann „die Affinität zur Ideologie des Nationalsozialismus“. Das ist von keiner Hamsun-Kenntnis getrübt. Ähnlich bei Céline, da steht zu seinem Roman „Mort à crédit“, der der Literaturkritik als das verrückteste und genaueste Buch gilt, das je über den Wahnsinn des französischen Kleinbürgers geschrieben wurde, und nicht nur des französischen, der schlichte Satz: „Tod auf Kredit“ ist „ein Schocker mit den Leitmotiven Haß, Grausamkeit, Vergewaltigung“; das geht nicht mal als „Meinung“ durch, das ist einfach nur Quatsch. Am Ende des Artikels der Satz, Céline gelte als „letzter Nachfolger Emile Prousts“. Nie gehört, den Namen. Lexika und ein Céline-Spezialist, die ich frage, kennen auch keinen Emile Proust.

Jeder Artikel hat eine Literaturliste am Ende. Ein Blick bei Hamsun, Pound und Céline ergibt, daß die neueren umfassenden Biographien zu den dreien nicht aufgeführt sind: Bei Hamsun Robert Ferguson, bei Céline Henri Godard und bei Pound Humphrey Carpenter; die sollten da stehen. Aber andere Bücher, auch interessante, vor allem zum Komplex der „politischen Kollaboration“ sind genannt. Wer in diesem Feld arbeitet und seine Bibliographien vervollständigen will, wird einiges finden, auch ein paar seltene Fotos.

Schädlichste Freimaurer für 40 Sous

Aber es fallen einem auch gleich seltsame politische Töne auf. Bei Ezra Pound etwa steht, er habe versucht, „den Amerikanern beizubringen, daß Dichtung eine Kunst ist“. Das riecht sehr nach dem Nazi-Schnack von den „kulturlosen Amerikanern“, und in dieser Richtung kommt es dann auch knüppeldick, z. B. unter dem Namen Faý, Bernard: Das ist der Vichy-Mann, den die deutschen Besatzer in Paris ab 1940 als Direktor der Bibliothèque Nationale eingesetzt hatten, ein enger Vertrauter des Maréchal Pétain. Faý wurde in Paris 1945 wegen schwerster Kollaboration zum Tode verurteilt, später begnadigt, ist dann aus dem Gefängnis geflohen und wurde Professor in Francos Spanien. Daß Faý auch ein enger Freund von Gertrude Stein und Übersetzer ihrer Bücher ins Französische war, erwarte ich nicht zu finden. Es steht auch nicht da; aber anderes: Faý war Anhänger der Theorie von der „Weltverschwörung des Freimaurertums“ zur Unterwanderung der Regierungen des Westens. Seidler schreibt dazu: Faý „wies nach, daß Frankreich seit dem ersten Kaiserreich aus dem freimaurerischen Untergrund gesteuert worden sei“. „Wies nach“ steht da, als Tatsache, ohne jede Einschränkung durch Seidlers Lexikon. So seien die Versailler Verträge Freimaurerverträge gewesen, und damit seien die Freimaurer „im Kern“ schuld am Zweiten Weltkrieg – eine von Heinrich Himmlers „Thesen“. Über eine Ausstellung, die Faý unter der Nazibesatzung in Paris zu diesem Thema organisiert hat, schreibt Seidler dies: „Faý erklärte mit eindrucksvollen Schautafeln und Exponaten, welche Macht die Geheimgesellschaften ausgeübt hatten. [...] In einer Broschüre konnte man für 40 Sous die schädlichsten Freimaurer Frankreichs kennenlernen. Die Besatzungsbehörden waren voll des Lobes über die Ausstellung. Insbesondere beeindruckte sie, wie F. es verstand, die Verbindungen zwischen Freimaurertum und dem Judentum aufzuzeigen. Mit der Abneigung gegen die eine Seite förderte er den Haß gegen die andere. Aufgrund dieser Ausstellung und der kenntnisreichen Publikation galt F. während der Besatzung als einer der großen Historiker der französischen Rechten.“

„Schädlichste Freimaurer, Judentum“ und die Verbindung dieser beiden, gezeigt auf „eindrucksvollen Schautafeln“ ... „kenntnisreich“ wieder aufgeführt als Faktum, die reine Nazilesart. Vom „Freimaurerwesen“ ist die Rede und vom „internationalen Judentum“, als würde es die geben, als seien das wirklich existente und jedermann bekannte politische Größen, heute, 1995.

Seidlers Fronttext zu dem Buch, 42 Seiten lang, klärt dann darüber auf, daß dies keine Ausrutscher sind, sondern Absichten. Daher ist dies weniger ein „Buch“ als ein Politikum, eine Waffe, angefertigt, um die Hitlersche Ausrottungs- und Eroberungspolitik im Zweiten Weltkrieg nicht nur zu rechtfertigen, sondern sie mit vorwiegend edlen Zügen zu versehen: den Zügen eines fundamentalistischen Antikommunismus. Dabei ist es, aus gegebenem Anlaß, vor allem Seidlers Anliegen, die deutsche Wehrmacht von jedem ihrer Verbrechen reinzuwaschen. Ein Politikum ist das deshalb, weil die zitierten Sätze nicht Sätze aus einer neofaschistischen Broschüre der Zündel-Werkstatt sind. Der Autor des Werks, Franz Seidler, ist „Professor für Neuere Geschichte unter besonderer Berücksichtigung der Sozial- und Militärgeschichte an der Universität der Bundeswehr, München“ (Klappentext), ein Mensch, der junge Offiziere offiziell in deutscher Geschichte unterrichtet, Weltkriegsgeschichte.

Die Kernstücke dieses Unterrichts sind schnell umrissen. Da ist an erster Stelle die Behauptung, der sogenannte Einmarsch der deutschen „Wehrmacht“ in andere europäische Länder sei dort von großen Teilen der Bevölkerungen nicht nur nicht abgelehnt, sondern jubelnd begrüßt worden. Zitat:

„Als die deutschen Soldaten nach der Kapitulation kampflos in die größeren Orte einmarschierten, standen die Menschen bereits zu Tausenden an den Straßenrändern, um die Sieger zu sehen. Es gab Beifall, Hochrufe, Blumen und Händeschütteln auch an den Orten, die heute nichts davon wissen wollen.“

Zur Nachhilfe, welche „Orte, die nichts mehr davon wissen wollen“, gemeint sind, sehen wir Fotos im Text: Von einer Frau in Amsterdam, die einem deutschen Soldaten die Hand schüttelt beim Einmarsch des SS-Regiments „Der Führer“ im Mai 1940, wir sehen vier lachende dänische Mädchen, die mit drei deutschen Soldaten schäkern am 9. April 1940, eine ukrainische Frau mit Kind auf dem Arm, die den Soldaten Blumen überreicht im Juni 1941, wir sehen jubelnde Franzosen auf den Champs Elysées mit Hitlergruß, jubelnde Kroaten beim Durchmarsch der Hitlertruppen, ja, sogar, so Seidler: „Sogar die slawische Bevölkerung Serbiens konnte zur Unterstützung der Besatzungsmacht motiviert werden.“

So erfahren heute die Holländer, Dänen und sogar die Serben von einem Münchner Bundeswehrprofessor, daß sie es bloß nicht mehr wahrhaben wollen, schon 1940 die Deutschen unterstützt zu haben in ihrem Kampf für ein kommunistenfreies Europa. Denn dies war der Grund für die willige Kollaboration aller guten Europäer. Seidler:

„Viele West- und Nordeuropäer, die Angst vor dem Bolschewismus hatten, sahen im Nationalsozialismus die Antiideologie zum Sowjetkommunismus und würdigten Deutschland als Bollwerk gegen die Sowjetunion. Nirgendwo wurden die Kommunisten so konsequent verfolgt wie in Deutschland. Neben dem Judentum galt der Bolschewismus als ausgeprägtestes Feindbild der Deutschen. Wem der Schutz des Abendlandes und der westeuropäischen Kultur ein Herzensanliegen war, mußte in dieser Situation mit der einzigen Macht kooperieren, die der Ausbreitung der ,roten Pest‘ Einhalt gebieten konnte.“

Kollaboration als einzig mögliche Sache

Wer für Abendland und westeuropäische Kultur war, sagt der Satz, und zwar mit dem Herzen, mußte gegen Bolschewismus und „Judentum“ sein und mußte ebenso mit Hitler kollaborieren.

Für jeden vernünftigen Menschen wurde diese Kollaboration auch ganz leicht gemacht, nämlich durch das Verhalten der deutschen Truppen: „Die Diszipliniertheit der Besatzungstruppen tat ein übriges, um das Wohlwollen der Zivilbevölkerung zu gewinnen und

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die propagandistischen Feindbilder vergessen zu lassen. Jeder Übergriff eines deutschen Soldaten gegen die Landesbevölkerung wurde von den Kriegsgerichten geahndet. Auf Diebstahl, Raub, Plünderung und Vergewaltigung standen hohe Strafen. [...] Zwischen den Soldaten und den jungen Frauen des Landes entwickelten sich vielfältige Beziehungen.“

Die Seidler auch schätzt, nicht aber ohne sie, als „horizontale Kollaboration“, von der politischen fein zu unterscheiden. Wer hat denn, so fragt man sich, überhaupt gegen die deutschen Soldaten gekämpft im Weltkrieg? Offenbar nur die Kommunisten der jeweils überfallenen Länder, dazu die Juden und Freimaurer als Agenten des amerikanisch-freimaurerischen Bankenkapitals und die von diesen fehlgeleiteten Regierungen.

Alle anderen, d. h. die Völker Europas, waren eher für die Deutschen, waren für die „Besatzungsmacht“, wie der Bundeswehrprofessor die deutschen Invasoren durchgehend nennt. „Besatzungsmacht“ klingt ordentlich, klingt rechtmäßig, klingt ruhestiftend und vertrauenerweckend. So wird die „Kollaboration“ mit Hitlers Truppen nicht nur zu einer vertretbaren Sache, sie wird zu einer guten, sie wird zur einzig möglichen für alle Norweger, Dänen, Franzosen oder Ukrainer, die damals schon „europäisch“ dachten.

Judenvernichtung durch „Landeskinder“

Entwertet werden müssen dagegen alle Widerstandsbewegungen gegen Hitler. Auch hier wählt Seidler den ekligsten Weg. Er hat noch nichts über die KZs gesagt in seinem Fronttext. Hier ist nun der Moment. Er beklagt, wie die nach Kriegsende verhafteten Kollaborateure von den nationalen Widerstandsgruppen bestraft wurden, der Résistance in Frankreich, in Norwegen, überall. Die dazu eingeleiteten Prozesse schiebt Seidler, historisch unzutreffend, durchweg den (kommunistischen) Résistancen zu, die vor allem, so sagt er, nachträglich ihre Wichtigkeit unterstreichen wollten, denn keiner von ihnen wäre es ja gelungen, von sich aus die Besatzer zu besiegen. Die „Bevölkerungen“ spricht Seidler durchweg frei von Racheabsichten. Die Résistanceler aber hätten sich in vielen Fällen den Kollaborateuren gegenüber so verhalten wie KZ-Wärter gegenüber ihren Häftlingen. Dies ist der einzige Zusammenhang, in dem Seidler die KZs erwähnt. Dem organisierten Widerstand gegen die Hitlerarmeen werden pauschal KZ-Methoden attestiert. Und was war überhaupt mit der Verfolgung der Juden? Die war, in Seidlers Geschichtsschreibe, von den besetzten Ländern meist selbst gewollt, die Deutschen halfen bloß dabei: „Polizeiverbände aus Landeskindern deuteten an, daß sich die Besatzungsmacht nicht in die innere Ordnung des Landes einzumischen gedachte. Die Verfolgung der Juden blieb in weiten Strecken ihnen überlassen.“ Das wird die Holländer und Franzosen freuen, aus der Bundeswehr zu hören, daß es vor allem sie selbst waren, die ihre Juden loswerden wollten. Sie waren so nett, als Landeskinder, der deutschen Wehrmacht und SS, die dadurch sauber blieben, in weiten Strecken die Arbeit der Judenverfolgung abzunehmen.

Solche Verdrehungen sind bei Seidler Methode. Die Überfälle deutscher Truppen 1940 auf Frankreich, Holland, Belgien, Norwegen, Dänemark nennt er in einem Atemzug mit der Besatzung Deutschlands durch die alliierten Truppen 1945. Die Alliierten kamen als Befreier, sagt er, aber die Deutschen faßten das nicht gleich so auf. Ebenso kamen die Deutschen 1940 als Befreier nach Norwegen, Belgien und Frankreich, nämlich als Befreier Europas vom Bolschewismus, aber die Franzosen, Norweger oder Holländer faßten das, damals, auch noch nicht so auf. Aber sie bestaunten schon bewundernd „die Sieger“; deren damaliger Sieg erst heute richtig zu würdigen ist; und um dies zu gewährleisten, veranstaltet Seidler seine Feier der Kollaboration.

Methode hat auch Seidlers Europa-Argument. Von heutigen Kritikern der Europäische Union ist angemerkt worden, daß die EU in mancher Hinsicht so etwas wie eine Verwirklichung Hitlerscher Pläne für Europa darstelle, ein Wirtschaftsimperium von Spitzbergen bis ans Mittelmeer, bloß daß dieses nicht allein unter deutscher Führung stehe und der Rest die Arbeitssklaven abgibt, sondern unter deutsch-französischer Führung mit einer gewissen Staffelung der anderen Nationen.

Seidler geht ganz offen ein paar Schritte weiter. Er sagt, das wirtschaftlich vereinigte Europa war auch das bewußte und eigentliche Ziel der Nazitruppen. Die EU erscheint in seinem Buch nicht nur als logische Folge der Hitlerschen Überfälle, sondern auch als deren Absicht. Dies Buch aus einer Bundeswehrhochschule 1995 feiert Hitlers Wehrmacht ganz offen als eigentlichen Vater des heutigen Europa. Es ist darin nicht einfach „konservative“ Geschichtsschreibung, die ja dieses Verdienst den Herren Adenauer und de Gaulle zuzuschreiben pflegt. Es ist offen neufaschistische Geschichtsschreibung, die die Kollaborateure mit Hitlers Truppen als Avantgarde des heutigen politischen Europa ausgibt, als „Idealisten“, die also vor der Geschichte rehabilitiert werden müssen. Idealistische Vorkämpfer der Herstellung der politischen Einheit Europas unter Ausschaltung des Bolschewismus, so wie sie sich heute tatsächlich abzeichnet.

Zur Rehabilitierung von Hitlers Soldaten

Hitlers Soldaten erfahren so eine Rundum-Rehabilitierung. Sie wollten ein vereinigtes Europa, und jeder europäische Mensch – ich wiederhole diesen Satz noch einmal –, dem „der Schutz des Abendlandes und der westeuropäischen Kultur ein Herzensanliegen war, mußte in dieser Situation mit der einzigen Macht kooperieren, die der Ausbreitung der ,roten Pest‘ Einhalt gebieten konnte“; heute sind nun auch die Regierungen der westeuropäischen Länder soweit, aber die Bevölkerungen waren es damals schon, die haben in großer Anzahl und teils sogar mehrheitlich dem Hitlerschen Verfahren der europäischen Neuordnung zugestimmt. Zu alldem gesellt sich ein offenes Plädoyer Seidlers für politische Diktaturen. Die Leute in Europa hatten es einfach satt, von schwächlichen Demokratien mißgeleitet zu werden, und waren auch deshalb sehr fürs Führerprinzip.

Ich bin nicht der Mensch, der gegen Bücher nach Staatsanwälten ruft, in diesem Fall nicht und auch nicht in anderen, nach Bücherverbrennung erst recht nicht, aber das Verfahren Christo wäre vielleicht angemessen einem solchen Giftpaket gegenüber: einpacken – und nicht wieder auswickeln, aber ich weiß wohl: Witze helfen hier nicht, die Bundeswehr ist unübersehbar ausgewickelt worden im letzten Jahr, und sie wird nicht wieder eingepackt werden. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, daß ihre Offiziere unterrichtet werden u. a. von Leuten wie Seidler, die hemmungslos und ohne Anführungszeichen von „internationalem Judentum“ sprechen, in deren Mund Hitler und seine Mitverbrecher immer nur „die Reichsregierung“ heißen, die deutschen, mordenden Nazitruppen immer nur „die Besatzungsmacht“, die jubelnd begrüßt wurde in ganz Europa, und bei dem Joseph Goebbels ganz ernsthaft als „der Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda“ figuriert, etc. etc., ein regelrechter Nazischinken, so unverfroren faschistisch, wie man es sich in bösen Träumen nicht ausmalen möchte – und kommt direkt aus dem Herzen einer Bundeswehrhochschule. Gewissen militärischen Herren, und zwar offiziellen, ist wieder alles zuzutrauen, und zwar wirklich alles.

Franz W. Seidler: „Die Kollaboration 1939–1945“, 576 Seiten, geb., Herbig Verlag 1995, 78 DM

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