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Scharm al-Scheich, die Zweite

US-Außenminister kündigt Lockerung der israelischen Abriegelung von Westbank und Gaza-Streifen an und sagt Hilfsmaßnahmen zu. Peres und Arafat signalisieren Zustimmung  ■ Aus Kairo Karim El-Gawhary

Sie wollten in die Fußstapfen der „Friedensmacher“ treten, die Teilnehmer des zweitägigen „Nachfolgetreffens von Scharm al- Scheich“, das heute in Washington zu Ende geht. Auf der Ebene von Botschaftern und Staatssekretären ging es darum, den Außenministern der jeweiligen Länder konkrete und schnelle Vorschläge zu unterbreiten, wie die Ziele von Scharm al-Scheich durchgesetzt werden können.

Bei dieser hehren Absicht hörte aber dann auch schon die vor zwei Wochen in Scharm al-Scheich von 29 Staats- und Ministerpräsidenten vorgespielte Harmonie auf. Israel und dessen wichtigster internationaler Verbündeter, die USA, verstehen unter „Friedenmachen“ derzeit nicht viel mehr als die Bekämpfung von Terrorismus, genauer gesagt die Bekämpfung der islamistischen Hamas. „Präsident Clinton ist fest entschlossen, alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel und Wege zu benutzen, um den Terrorismus zu bekämpfen und den Feinden des Friedens eine Niederlage zu bereiten“, erklärte US-Außenminister Warren Christopher vor dem Treffen in Washington. Von arabischer Seite wurde unterdessen das anfänglich noch leichte Murren in Scharm al- Scheich als offener und lauter Widerspruch formuliert. Die Einengung auf Terrorismus bedeute, daß man sich in Zukunft nur noch mit der Sicherheit Israels zu befassen habe, hieß es in den arabischen Hauptstädten allerorten. Terrorismus zu bekämpfen sei durchaus eine wichtige Sache, nicht aber das grundsätzliche Problem. Es gehe darum, den Friedensprozeß qualitativ am Leben zu erhalten, erklärte Ahmad Maher Sayyed, der Chef der ägyptischen Delegation in Washington. Der Friedensprozeß sei durch die terroristischen Operationen, aber auch von den israelischen Reaktionen darauf bedroht, erklärte Sayyed diplomatischer, als es die meisten arabischen Zeitungen in der letzten Woche taten. „Den Rückzug aus Hebron zu verzögern, weiterhin die Menschen zu verhaften, deren Häuser zu sprengen und die Abriegelungen von Westjordanland und Gaza-Streifen, bekämpfen nicht den Terrorismus, sondern sorgen für eine Zunahme der Spannungen“, fügte der Chef der ägyptischen Delegation hinzu. In stillem Protest hatten die meisten arabischen Staaten statt der Staatssekretäre nur ihre Botschaftsvertretungen auf die Washingtoner Konferenz entsandt.

Unerwarteten Rückenwind bekam die arabische Seite aus Frankreich. Im dortigen Außenministerium hatte man ebenfalls über die Antiterror-Tagesordnung gemeutert. Frankreich legte ein eigenes Papier zur Wiederbelebung der Nahostverhandlungen vor. Darin wurde vorgeschlagen, zuallererst die bereits unterschriebenen Vereinbarungen einzuhalten. Israel solle sich an die Zeitplanung bei seinem Teilrückzug halten und die immer noch in israelischen Gefängnissen einsitzenden PalästinenserInnen vereinbarungsgemäß freilassen. Die Palästinenser ihrerseits wurden aufgefordert, die Nationalcharta wie versprochen zu modifizieren. Und Syrien und Israel werden zur Wiederaufnahme der Verhandlungen gedrängt. Und schließlich sollten die negativen Auswirkungen der israelischen Abriegelung von Westjordanland und Gaza-Streifen auf die Palästinenser abgemildert werden.

In einem Schritt, der nur als Zugeständnis an die arabischen und europäischen Staaten gedeutet werden kann, verkündete Christopher gestern, die negativen wirtschaftlichen Auswirkungen der Abriegelungen entschärfen zu wollen. Konkret: Erleichterung bei der Einfuhr von Baumaterialien und ein Arbeitsbeschaffungsprogramm. Außerdem solle der Güterverkehr zwischen den palästinensischen Gebieten und den arabischen Nachbarländern vereinfacht werden. Der israelische Ministerpräsident Peres und Präsident Arafat haben laut Christopher schon ihre Zustimmung signalisiert. Auch die Vorsitzende des Hilfskomitees für die Palästinenser, Norwegens Ministerpräsidentin Brundtland, sei einverstanden.

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