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„Ehrliches Fleisch“ aus Britz

Ein Großschlachthof in Brandenburg will ab Ostern mit einer Herkunftsgarantie für Fleisch und Würste dem Rinderwahnsinn trotzen  ■ Aus Eberswalde Toralf Staud

Entspannt zurückgelehnt sitzt Günther von Briskorn in einem schwarzen Ledersofa in seinem Büro. Er ist Geschäftsführer des Fleischverarbeiters Plumrose und damit Chef eines Groß-Schlachthofes im brandenburgischen Britz, 70 Kilometer nördlich von Berlin — und trotzdem ganz gelassen. Draußen werden gerade quiekende Schweine vom LKW getrieben, ein Rindertransport fährt auf den Hof. Der Betrieb arbeitet planmäßig. Seit halb sechs schlachtet die Frühschicht ein Tier nach dem anderen, und in der angeschlossenen Wurstfabrik werden Därme und Konserven im Akkord gefüllt.

Es ist der Tag neun nach dem Eingeständnis der britischen Regierung, daß es einen Zusammenhang zwischen der Rinderseuche BSE und der Nervenkrankheit Creutzfeld-Jakob-Syndrom gibt. Die deutschen Verbraucher lassen das Rindfleisch in den Kühlregalen liegen, die Gewerkschaft Nahrung- Genuß-Gaststätten (NGG) verhandelt bereits mit der Bundesanstalt für Arbeit über Kurzarbeit für Schlachthofarbeiter. Auch in Britz wird seit einigen Tagen weniger Rind geordert. Supermärkte, die Osterbraten zu Aktionspreisen anbieten wollten, stornieren ihre Bestellungen. Günther von Briskorn ist trotzdem die Ruhe in Person. „Ich habe seit einem Jahr geahnt, daß so was kommt“, sagt er mit einem jovialen Lächeln. Damals hat Briskorn damit begonnen, für seine Handelsmarke „Eberswalder“ ein „integriertes Herkunftskonzept“ zu entwickeln. Gründonnerstag läuft die Werbekampagne an. Von Briskorn: „Zigtausende haben wir zur Vorbereitung ausgegeben, ohne daß klar war, ob es jemals honoriert wird.“ Mittlerweile stünden die Handelsketten Schlange.

„Das Kilo wird 20, 30 Pfennig teurer“

Aus gut hundert Betrieben in Brandenburg und Mecklenburg- Vorpommern wird „Eberswalder“ in Zukunft sein Rindfleisch beziehen, von einem unabhängigen Institut kontrolliert. Die Herkunft jedes Zuchtrindes wurde zuvor geklärt, die Kälber von Anfang an beobachtet. Tiermehl ist bei der Fütterung tabu. Die Daten von der Ohrmarke jedes Rindes werden im Computer gespeichert, noch das fertig abgepackte Stück Fleisch kann exakt einem Tier zugeordnet werden. „Das Kilo wird im ganzen vielleicht 20, 30 Pfennig teurer“, schätzt von Briskorn. „Aber wichtiger als der Preis ist jetzt die Frage, wer ehrliches Fleisch liefern kann.“

Der Schlachthof in Britz bietet dafür ideale Voraussetzungen, er hat alle Verarbeitungsschritte unter einem Dach. Schlachtung, Zerlegung, Verarbeitung sind in der Branche gewöhnlich auf einzelne, hochspezialisierte Betriebe aufgeteilt. Plumrose dagegen muß sich nicht auf Zertifikate von Lieferanten verlassen.

Dies ist ein Erbe der DDR. Ende der siebziger Jahre wurde der Betrieb in Britz als Vorzeigeobjekt gebaut und sollte vor allem Ostberlin versorgen. 3.000 Menschen arbeiteten einst hier. Die Produktionsanlagen kamen zum großen Teil aus dem Westen, dorthin ging auch ein Teil des Exports. Nur wenige Kilometer entfernt standen ein Kraftfutterwerk und ein riesiger Schweinemastbetrieb, der pro Jahr 200.000 Tiere „produzierte“. Nach der Wende wurden die Schweineställe abgerissen, „vom Landwirtschaftsminister Kiechle auf Druck seiner bayerischen Bauern plattgemacht“, wie es Uwe Ledwig von der Eberswalder NGG ausdrückt. Schweine werden in Eberswalde immer noch gemeuchelt, allerdings ohne Herkunftszertifikat. Das Gros wird aus Schleswig-Holstein herangekarrt. Die Schlachtanlagen sind nur zu einem Drittel ausgelastet und schreiben tiefrote Zahlen.

Die mögliche Schließung des Betriebes, falls sich kein Käufer findet, macht den 900 Arbeitern denn auch mehr Sorgen als die BSE-Angst der deutschen Hausfrau. Man müsse die Leute nur richtig informieren, dann kaufen sie auch wieder Rindfleisch, meinen sie. Kerstin Nagel ärgert sich darüber, „daß der Verbraucher von Medien und Politikern verrückt gemacht wird“. Sie könne sich mittlerweile schon fast keine Nachrichtensendungen mehr ansehen, sagt sie ärgerlich und wendet sich wieder ihrer Wurstmaschine zu, aus der meterlange Aufschnitt- Stangen quellen.

Bei Kollegin Annelie Krüger kommt Ostern allerdings kein Rind auf den Tisch. Als sie im Fernsehen einen zwanzigjährigen Mann an Creutzfeld-Jakob „regelrecht verenden“ gesehen hat, ist ihr der Appetit vergangen. Sogar der auf das garantierte „Eberswalder“-Fleisch. Dabei wird sogar Manfred Wolke für die Qualität bürgen, der Trainer der beiden brandenburgischen Boxer Henry Maske und Axel Schulz. Management-Profi und Ex-Wessi von Briskorn, grinst in seinen grauen Schnauzbart: „Wir Brandenburger müssen unsere Kräfte bündeln.“

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