: Kritischer Dialog mit einem Mörder
■ EU fordert von Iran Verurteilung des Terrorismus. taz liegt Haftbefehl gegen Geheimdienstminister vor
Berlin (taz) – Iran droht den Europäern: Wenige Tage vor einem Besuch der Außenminister Italiens, Spaniens und Irlands in Teheran sagte Ajatollah Emami Kaschani gestern, wer sich gegen Iran stelle, „stellt sich gegen den Islam, und das bedeutet, sich gegen eine Ideologie zu stellen, der gegenwärtig über eine Milliarde Menschen in aller Welt folgen“. Ziel des Besuches der sogenannten EU-Troika ist es, vom iranischen Staatspräsidenten Rafsandschani eine klare Verurteilung des internationalen Terrorismus zu erhalten. Von dessen Antwort will die EU die Fortführung der Politik des „kritischen Dialoges“ abhängig machen.
Bei ihrem Treffen werden die Politiker über einen Mann zu reden haben, der sich nach Ansicht des Bundesgerichtshofs aus eigener Willkür zum Herrn über Leben und Tod anderer gemacht hat, indem er aus niederen Beweggründen vier Menschen getötet haben soll: Rafsandschanis Kabinettskollege, der iranische Geheimdienstminister Ali Fallahian. Der Haftbefehl des Bundesgerichtshofs, der der taz vorliegt, läßt keinen Zweifel daran, daß Fallahian auf die Anklagebank des Berliner Mykonos-Prozesses gehört. Wegen der Morde an vier iranisch-kurdischen Oppositionspolitikern in dem Berliner Lokal im September 1992 müssen sich seit über zwei Jahren fünf Männer vor dem Berliner Landgericht verantworten.
Sollten sich die BGH-Beschuldigungen gegen Fallahian bewahrheiten, wäre damit auch ein vernichtendes Urteil über den „kritischen Dialog“ Außenminister Klaus Kinkels gefällt. Denn für den Ermittlungsrichter ist nicht erst seit dem „Mykonos“- Anschlag der Verdacht iranischer Terroraktivitäten im Ausland gegeben. Unter anderem fällt auch die Ermordung des ehemaligen iranischen Ministerpräsidenten Bakhtiar im August 1991 bei Paris nach seiner Ansicht in die Zuständigkeit des von Fallahian geleiteten Ministeriums.
Der Richter geht davon aus, daß der Iran oppositionelle Gruppen nicht nur verbietet, sondern deren Repräsentanten auch außerhalb der eigenen Landesgrenzen verfolgt. Daß diese Verfolgung auch die physische Vernichtung einschließe, werde durch den Mordanschlag vom 13. Juli 1989 auf die damalige Führung der Demokratischen Partei Kurdistans in Wien belegt. Dabei wurden der Vorsitzende der Partei und sein Stellvertreter erschossen. Der ehemalige iranische Erziehungsminister Ganji habe geschildert, daß er von Teheran mit dem Tode bedroht werde. Dies werde bestätigt durch ein Schriftstück, welches erkennen lasse, daß an der Umsetzung des darin enthaltenen Tötungsbefehls vor allem Fallahians Ministerium beteiligt sei.
Fazit des Bundesgerichtshofs: Die Liquidierung Oppositioneller sei dem Geheimdienstministerium übertragen. Chef des gesamten Apparates sei Fallahian, der in dieser Eigenschaft zugleich dem Nationalen Sicherheitsrat angehöre, in welchem solche Maßnahmen beraten und beschlossen würden. Gleichfalls Mitglied dieses Sicherheitsrates ist Ministerpräsident Rafsandschani, der Mann, von dem die EU- Außenminister nun eine Verurteilung des internationalen Terrorismus erwarten. Dieter Rulff
Tagesthema Seite 3, Kommentar Seite 10
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