■ CDU-Flaggentrauma: Mit wehenden Fahnen
Manchmal liefert die Politik Vorlagen, die blöder sind als jeder Scherz zum 1. April. Der jüngste Fall wird aus Lichtenberg gemeldet. In der dortigen Bezirksverordnetenversammlung tobt nämlich seit kurzem der totale Fahnenkrieg. Denn die CDU stört sich am schlichten Erscheinungsbild des Saales und fordert, ihn mit einer Deutschland- und einer Berlinfahne zu schmücken. Nach erregter Debatte lehnten letzte Woche PDS und Bündnisgrüne den Antrag ab – gegen CDU und SPD. Für die Christdemokraten liegt der Fall klar: Wer das schwarzrotgoldene Tuch und den Bären nicht ehrt, der hat was gegen diesen Staat. Meint der 22jährige Antragsteller Stephan Giering. Mag sein, daß der junge Bezirksparlamentarier schon in der ehemaligen DDR den Wald vor lauter Fahnen nicht mehr sah. Bekanntlich herrschte im Arbeiter-und-Bauern-Staat an vielem Mangel – an Fahnen jedoch nie.
Den Flaggenfetischismus der CDU nutzte flugs die PDS, um sich als Opfer früherer Flaggenparaden zu outen: Die Forderung erinnere ihn an die DDR-Fahnenappelle, meinte PDS-Fraktionschef Bernd Ihme. Das ist zwar clever gekontert, aber doch nicht weniger dreist. War es doch nicht zuletzt Ihmes Partei, die im Gewande der SED am liebsten jede abbröckelnde Fassade mit Losungslappen abgedeckt hätte. Dem 48jährigen darf man zugute halten, daß er mit den falschen Argumenten auf dem Wege der Besserung ist. Beim CDU-Youngster Giering aber wirkt der zu DDR-Zeiten verabreichte Flaggenlebertran noch nach, an dem die einstige Blockflötenpartei bekanntlich mächtig Gefallen gefunden hatte. Immerhin, auch bei ihm ist Genesung in Sicht. Beim nächsten Mal will Giering statt der Bundes- und Bärenfahne nur noch das Anbringen des Lichtenberger Wappens beantragen. Severin Weiland
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