: Hamburger Ausstieg aus Atom und Dementis
■ HEW-Verkauf: Senatsinternes Nebelkerzenwerfen um AKW-Stillegung
Kaum war die Nachricht auf dem Tisch, da überschlagen sich alle Beteiligten mit energischen Dementis. Eindeutig „falsch“, tönt etwa Harald Schüren, Pressesprecher der Rheinisch-Westphälischen Elektrizitätswerke (RWE): „Nur eine „politische Mutmaßung des Spiegel“.
Der berichtet in seiner gestern erschienenen Ausgabe, daß die beiden Stromkonzerne Preußen Elektra (Preag) und RWE bereit seien, die Atommeiler in Brunsbüttel und Krümmel vom Netz zu nehmen – vorausgesetzt, sie bekämen den Zuschlag für die zum Verkauf stehenden Aktienpakete der Hamburgischen Electricitätswerke (HEW). Bürgermeister Henning Voscherau wird von dem Hamburger Nachrichtenmagazin mit den Worten zitiert, er wisse von einer diesbezüglichen Zusage, die „mehr oder weniger wolkig“ sei.
Der Zitierte, der noch vergangenen Donnerstag mit dem Spiegel sprach, dementiert nun ebenfalls stante pedes: „Ich weiß nicht, ob es ein solches Angebot gibt. Ich führe die Verhandlungen nicht“. Die führen die Senatoren Fritz Vahrenholt (Umwelt & Energie) und Ortwin Runde (Sparen, Sparen, Sparen) – die ebenfalls von nichts wissen wollen. „Mir ist von einem solchen Angebot nichts bekannt“, verlautbart Vahrenholt, und Runde ergänzt: „Da ist nichts dran“.
An den Dementis wohl auch nicht. Denn nach Informationen der taz gehört der Ausstieg aus zwei der vier Atommeiler, an denen die HEW beteiligt sind, ebenso zum Verhandlungspaket des Aktiendeals, wie die Zusage der potentiellen Käufer, der Hamburger Industrie weiterhin Strom zu Dumping-Preisen zu liefern. Ein Senats-Insider über den scheinbar ahnungslosen Runde: „Der Finanzsenator hat nur darauf bestanden, daß die Bedingungen nicht zu Mindereinnahmen beim Aktienverkauf führen dürfen“.
Nach Informationen aus der Vorstandsetage eines großen Energieunternehmens waren es die Kaufinteressenten selber, die mit einem windelweichen Ausstiegsangebot ihre Chancen auf den Zuschlag zu erhöhen hoffen. Denn Rundes Versuch, städtische HEW-Anteile in einer Größenordnung zu verkaufen, daß Hamburg die Aktienmehrheit von 50 Prozent plus einer Aktie verliert, steht in krassem Widerspruch zu einem SPD-Parteitagsbeschluß vom vergangenen November. Die atomkritischen Teile der Elb-Sozis befürchten, mit der Anteils-Mehrheit auch jede Option zu verkaufen, mittelfristig Brunsbüttel und Krümmel stillzulegen.
Das Ausstiegs-Angebot der kaufwilligen Stromkonzerne könnte nun den sozialdemokratischen Widerstand brechen. Die neue Formel lautet: weniger Aktien, mehr Ausstieg. Marco Carini
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