: Kein Schlupfloch für den Senat
■ Altenwerder: Hafengesetz schließt Nachbesserungen aus / Gegner frohlocken: Planverfahren muß völlig neu aufgerollt werden Von Heike Haarhoff
Ironie des Schicksals oder Stolperfalle Hafenentwicklungsgesetz (HafenEG): Der Senat scheitert in Altenwerder an seiner vermeintlichen Bauernschläue, mit der er die Hafenerweiterung wirtschafts- und umweltpolitischen SOS-Rufen zum Trotz durchsetzen und geltendes Bundesrecht geschickt umschiffen wollte.
In ihrer planerischen Selbstherrlichkeit, die 1982 in der Verabschiedung des verfassungsrechtlich umstrittenen und bundesweit beispiellosen Hamburger Hafen-Sondergesetzes gipfelte, versäumte die Landesregierung, Rechts-Nischen für die jüngst eingetretenen „Widrigkeiten“ zu schaffen: Ein gerichtlich verhängter Hafenerweiterungs-Stopp aufgrund erheblicher Verfahrensfehler ist nicht berücksichtigt worden.
Denn „das HafenEG schließt, anders als die Gesetze sonstiger Groß-Bauprojekte, Möglichkeiten zur Nachbesserung des Planverfahrens aus. Statt dessen muß das Planfeststellungsverfahren wohl komplett neu aufgerollt werden, weil es rechtswidrig ist“, frohlockt Altenwerder-Anwalt Martin Hack angesichts der erheblichen Zeitverzögerung „mindestens bis zur Jahrtausendwende“.
Zwar wähnt sich Wirtschaftssenator Erhard Rittershaus noch in dem Glauben, er müsse zur Rettung seines Hafenausbau-Traums bloß die vom Verwaltungsgericht beanstandete Umweltverträglichkeitsprüfung zur Öffnung der Alten Süderelbe nachreichen: „Wir rufen die höhere Gerichtsinstanz an. Es geht darum, das Planfeststellungsverfahren für die Süderelbe beschleunigt anlaufen zu lassen“, beteuerte er gestern gegenüber der Mopo, alles im Griff zu haben.
Das aber, seufzt sein besser informierter Behörden-Sprecher Rainer Erbe, dürfte das OVG wenig beeindrucken: Das HafenEG billigt dem Senat zwar erhebliche Eingriffe in Privateigentum zu, ohne den späteren Nutzungszweck genauer benennen zu müssen, kennt aber keine Regelungen wie das Bundesfernstraßengesetz. Dort heißt es vorbeugend unter § 16: „Erhebliche Mängel bei der Abwägung führen nur dann zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, wenn sie nicht durch ein ergänzendes Verfahren behoben werden können“.
Der Senat solle endlich eine „ordentliche Planung nach dem Baugesetzbuch“ durchführen, droht Anwalt Michael Günther, „jetzt die Europäische Kommission einzuschalten“. Möglich sei auch eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof. Das dürfte die Stadt teuer zu stehen kommen: Als Verliererin des Rechtsstreits beutelt sie den ohnehin schwindsüchtigen Haushalt bereits erheblich.
Herbert Nix vom Förderkreis Rettet die Elbe wirft dem Senat verfehlte Standortpolitik vor: 2 500 Menschen könnten in Altenwerder leben, Container statt dessen auf den ökologisch unumstrittenen Industriebrachen im Petroleum- und Dradenauhafen gestapelt werden. Infrastruktur ist dort im Gegensatz zu Altenwerder bereits vorhanden. Zugleich entkräftet Nix den Vorwurf der Wirtschaftsbehörde, der Verzicht auf Altenwerder gefährde mehrere Tausend Arbeitsplätze: Der Stellen-Abbau im Hafen werde sich fortsetzen. Die Studie „Beschäftigungsmöglichkeiten im Hamburger Hafen“ der TU Harburg vom Juli 1994 bestätigt, „daß wachsende Güterumschlagsmengen keine Basis mehr für Beschäftigungssicherung und -ausbau darstellen“. Abhilfe schaffe nur „eine abgestimmte nordeuropäische Hafenpolitik“, lehrt Nix Wirtschaftswissenschaft für Anfänger.
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