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Mit Mordsverspätung auf zum Kommiß

■ Kampagne gegen Wehrpflicht blockierte gestern Rekrutenzug im Bahnhof Zoo

Im Namen von Kurt Tucholsky haben sich gestern vormittag 22 junge Frauen und Männer den Hintern abgefroren. Die AntimilitaristInnen der Kampagne gegen Wehrpflicht und Zwangsdienste blockierten im Bahnhof Zoo eine Stunde lang einen Rekrutenzug. Ein Teil der gestern einberufenen 1.750 Berliner Rekruten kam deshalb verspätet in den Kasernen an. Bundesweit wurden 34.800 junge Männer eingezogen.

Mit der Schienenblockade protestierten die Kriegsdienstgegner in der Hauptsache gegen den von der Bundesregierung geplanten „Ehrenschutz“ für Soldaten, der das Tucholsky-Zitat „Soldaten sind Mörder“ unter Strafe stellen soll.

Mit einer besonderen „Soldatenehre“, die kein Normalbürger für sich beanspruchen kann, verabschiede sich die Bundeswehr „von ihrem selbst propagierten Bild des sogenannten Bürgers in Uniform“, so die Veranstalter der Schienenblockade. Die DemonstrantenInnen blockierten jedoch nicht nur die Schienen von Gleis 1 des Bahnhofs. Sie hängten auch ein Großtransparent mit der Aufschrift „Kein Ehrenschutz für Mörder“ an die Gleisbrücke über der Hardenbergstraße.

Bei einer Kundgebung vor dem Bahnhof verteilten sie Poster mit dem Tucho-Zitat an Passanten. In den Waggons des stillgelegten Intercity nach Hamburg versuchten sie, die Rekruten und andere Reisende von ihrer Sache zu überzeugen.

„Wir wollen die Leute nicht verärgern, sondern Verständnis wecken“, sagte Pfarrer Stephan Frielinghaus von der Kampagne. Bislang hätten bei fast jeder der regelmäßigen Zugblockaden Rekruten „noch aus dem Zug heraus den Kriegsdienst verweigert“.

Wegen der Schienenblockade ließ die Bahn AG auch die drei anderen Gleise der Fernbahn aus Sicherheitsgründen sperren. Auch ICE aus München konnte so nicht planmäßig abfahren, der aus Stuttgart kommende konnte nicht in die Bahnhofshalle einfahren.

Die Blockade begann um 11.25 Uhr, drei Minuten vor der Abfahrt des Zuges. Die Bahnpolizisten des Bundesgrenzschutzes aber schienen das Kursbuch nicht zu kennen. Sie trafen erst sieben Minuten später ein.

Die Aktion „klappte perfekt“, wie Christian Herz von der Kampagne der taz sagte. Um die Polizei zu überraschen, hatten die Blockierer diesmal nicht den Frühzug gewählt.

Ab 12.15 Uhr begannen die etwa 20 Grenzschützer sowie reguläre PolizistInnen damit, das Gleis zu räumen. Dabei kam es zum Handgemenge mit Presseleuten, weil diese unsanft vom Bahnsteig entfernt werden sollten, um Platz für den Einsatz zu schaffen. Nachdem ein ranghöherer Beamter eingetroffen war, entschied sich der Einsatzleiter jedoch für die Pressefreiheit und ließ die ReporterInnen weiter zusehen. Philip Kahle

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