■ Wie des Papstes Gebote durchgesetzt werden: Gummibär gegen Kondome
Ein Heiliger Krieg tobt in Schardenberg, einer 2.600-Seelen-Gemeinde in Österreich. Denn bis Mai muß das Werk vollendet sein, dem sich Hochwürden Alfred Hohensinn mit Haut und Haar verschrieben hat: Aus dem frömmsten Wallfahrtsort Mitteleuropas soll eine kondomfreie Zone werden. In Marias Namen, Sünde darf es hier keine mehr geben, wenn bald die „Fatima-Wallfahrer“ busweise kommen wie jedes Jahr.
Einen Monat Arbeit noch, dann ist auch dieses Lebenswerk gelungen: Seit 1987 legt Hochwürden schon den Gastwirten des Ortes nahe, sämtliche Kondomautomaten aus den Toiletten zu entfernen, „damit wir unseren Pilgern diesen grausigen Anblick ersparen“. Sollte die Fremdenverkehrsbranche weiterhin den sündhaften Verkehr begrüßen, werde er die Wirtshäuser fortan meiden wie der Teufel das Weihwasser, drohte der Priester. Schnell zeigten die Gastronomen Reue: „Wenn ich nicht nachgegeben hätte, wäre meine Existenz gefährdet gewesen“, berichtet ein Wirt. „Der Pfarrer hätte ganze Hochzeits- und Taufgesellschaften angehalten, nicht mehr bei mir einzukehren.“ Der tapfere Diener seines Papstes hat beste Deckung auch von oben. Weihbischof Andreas Laun: „Der Gebrauch von Kondomen kann mit der Empfehlung an einen Einbrecher verglichen werden, sich Handschuhe anzuziehen, um sich nicht durch Scherben zu verletzen.“ Kein Wunder, daß ob solcher bedeutenden Worte keiner mehr im Wallfahrtsort dem Gebot des Pfarrers trotzt. Nur die Drogeriemarktkette mit dem passenden Namen „Schlecker“ versorgt die Schardenberger gleich gegenüber der Kirche mit Präservativen. Doch Hochwürden Hohensinn erstattete Strafanzeige: „Verführung von Kindern“ warf er dem Unternehmen vor. Die Schüler der Hauptschule waren nämlich von den neuen Luftballons so begeistert, daß sie die gleich kiloweise aufgeblasen an den Schultafeln befestigten. Hohensinn: „Das Seelenheil der Kinder ist gefährdet.“
Bis heute wartet „Gummibär“, wie der Landpfarrer von Freund und Feind liebevoll genannt wird, vergebens auf das Einschreiten der Behörden. So lange beschuldigt er eben die zwei Mitarbeiterinnen des Schlecker-Marktes der „Beihilfe zur Sünde“. Die Drogistinnen bleiben aber hart: „Bei uns gibt's eh mehr Osterhasen als Kondome.“
Doch die beiden sollten noch mit allem rechnen. Schließlich hat der 62jährige Gummibär vor Jahren bereits einen Heiligen Krieg gewonnen. Als der strenge Hirte noch im nahen Geinberg seinen Schäfchen die Leviten las, trat er aus Protest gegen ein geplantes Warmwasserbad in Hungerstreik. Hohensinn: „Das war für Nudisten.“ Das Ergebnis kann kaum wundern – in Geinberg gibt es bis heute keine Freikörperkultur. „Ich weiß schon“, schränkt der Pfarrer verständnisvoll ein, „daß ich es als Priester nicht so schwer habe wie Paare, die auf das rein egoistische Luststreben und damit aufs Kondom verzichten. Ich habe keine Versuchung neben mir im Bett.“
Hohensinns größter Anhänger Siegfried Fürst weiß – Gott sei Dank – auch bei starker Versuchung sicheren Rat. Er setzt auf die sicherste Verhütungsmethode, den Leib Christi. Nachdem seine Frau eine schwere Geburt durchgemacht hatte und ein weiteres Kind für sie ein gesundheitliches Risiko gewesen wäre, befolgte der Mann den Rat seines Arztes: „Der edle Mensch hat mir gesagt, ich solle mir die Kraft, die ich für die Enthaltsamkeit brauche, durch häufigeren Kommunionsempfang holen.“ Bei solchen Methoden ist selbst Pfarrer Hohensinn überwältigt: „Das ist wahrer Glaube.“ Daniel Asche
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