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Die Katalanen spielen Zünglein an der Waage

■ Gute Chancen auf Einigung zwischen Spaniens Konservativen und Nationalisten

Madrid (taz) – Die zweite Verhandlungsrunde um eine Regierungsbildung in Spanien begann mit einer Überraschung. José Maria Aznar, der Vorsitzende der Partido Popular (PP), und Jordi Pujol, Präsident der katalanischen Regionalregierung Generalitat, trafen sich am Sonntag nachmittag zum zweiten Mal und abermals völlig im Geheimen, um über ein mögliches Abkommen zu beraten. Die PP erzielte bei den Wahlen Anfang März 156 Abgeordnetensitze, 20 weniger als die absolute Mehrheit. Die 16 Stimmen des katalanischen Parteienbündnisses Convergencia i Unio (CiU) sind somit unerläßlich. Den fehlenden Rest könnte die baskische PNV (5) oder die kanarische CC (4) auffüllen. Auch wenn Pujol beteuert, daß nach wie vor offen sei, ob die CiU einer Regierung von Aznar die nötigen Stimmen geben wird, spricht alles für eine Annäherung.

Joaquin Molins, CiU-Fraktionssprecher in Madrid und Verhandlungsführer seiner Partei, ist mit dem bisherigen Gang der Gespräche so zufrieden, daß er letzte Woche seiner Partei gar empfahl umzudenken. Die CiU solle sich nicht nur, wie bisher geplant, bei der Abstimmung zur Regierungsbildung enthalten, sondern gleich mit Ja stimmen. Eine unpopuläre Position zu Hause in Katalonien. Schließlich wetterte die PP jahrelang gegen die Forderungen der Nationalisten. Molins erklärt seinen Meinungswechsel: „Nur wenn wir mit Ja stimmen, können wir dauerhaft Vorteile für Katalonien aushandeln.“

Rafael Arias Salgado, einer der möglichen Minister einer Regierung Aznar, glaubt ebenfalls an ein baldiges Ende der Verhandlungen. Von den sechs Verhandlungsthemen – Beitritt zur europäischen Währungsunion, gemeinsame Wirtschaftspolitik zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, ein Pakt zur Sicherung des Sozialstaates, Kampf gegen den Terrorismus, eine Steuerreform und ein Überdenken der Politik der Zentralregierung gegenüber den Autonomien – seien fünfeinhalb vom Tisch. Es gelte noch Details in Sachen nationale Minderheiten auszuarbeiten.

Wichtigste noch offene Frage scheint die Finanzierung der Regionalregierungen zu sein. Bisher gesteht Madrid den 17 Regionen 15 Prozent der Lohn- und Einkommenssteuer zu. Das ist den Katalanen zuwenig. „Von 100 Peseten, die Madrid an Steuern einnimmt, kommen 25 aus Katalonien und nur 15 fließen zurück in unsere Kassen“, beschwerte sich CiU- Fraktionssprecher und Verhandlungsführer Joaquin Molins im Wahlkampf. Jetzt sieht er die Möglichkeit gekommen, die Regionalfinanzen aufzubessern und somit seinem Chef Pujol aus der Klemme zu helfen. In den Büchern der Generalitat klafft ein Loch von zehn Milliarden Mark. Die PP scheint bereit, den Katalanen entgegenzukommen. Entwürfe für eine Steuerreform sehen vor, daß die Regionalregierungen künftig die Lohn- und Einkommenssteuer sowie die Mehrwertsteuer im Einzelhandel selbst eintreiben. Ein Teil der Gelder würde demnach an Madrid abgeführt, mit dem Rest würden die Regionen ihren Eigenbedarf decken. Nur eines bittet sich Aznar dabei aus, um die zehn Regionalpräsidenten seiner eigenen Partei zu beruhigen: Um das reiche Katalonien nicht allzu stark gegen über den armen Regionen zu bevorteilen, soll ein Fond zum Finanzausgleich eingerichtet werden. Reiner Wandler

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