: Metapher des Lebensweges
■ Volker Langs neues Objekt ist im Künstlerhaus ausgestellt: eine Treppe
Die radiale Spaltung ist die älteste Art, aus Baumstämmen Bretter zu machen. So verzieht sich das Holz in der Trocknung am wenigsten, obwohl Volker Lang bei seinem 12stufigen Treppenobjekt im Künstlerhaus mit bis zu 6 cm Schwund rechnet. Bevor der Hamburg-Stipendiat Volker Lang zur Kunsthochschule kam, hatte er eine Kirchenmaler-Ausbildung und ist bestens mit dem bayrischen Barock bekannt. Doch mehr noch interessieren ihn Raumverhältnisse der italienischen Renaissance. Der Holzbildhauer hat in Rom sehr old-fashioned ganze Bücher mit Architektur-Zeichnungen gefüllt. Doch nicht Kunstgeschichte oder Kopistenkompetenz, sondern künstlerischer Nachvollzug der einmalig komplexen Entwürfe ist seine Sache.
Treppenstufen aus radialgespaltenen Brettern von der Rinde bis zum Kern haben noch einen Effekt: Man geht nicht nur treppauf, sondern auch rückwärts in der Zeit. Und in dieser Spannung zwischen Aufbruch und Ursprung ist eine Treppe Metapher für Künstlerambivalenz und Lebensweg.
Arbeitet man an den Möglichkeiten aktueller Plastik, ist der Minimalismus eines Don Judd oder Carl Andree eine verbindliche Größe. Doch deren Arbeiten sind ein fast hermetischer Endpunkt, dessen Grenzen wieder „ausgebeult“ werden müssen, wie Volker Lang sagt.
Im Künstlerhaus hat er so etwas wie ein Bühnenbild für seine Skulptur gestaltet. An der pfeilerbestimmten Grenze von Kernraum und glasüberdachtem Umgang hat er aus maschinengehobeltem Fichtenholz einen Bauzaun gezogen, vor dem die handgearbeitete Treppe steht. Dabei ist der Verzerrungswinkel des Treppenkeils mit 113 Grad genau derselbe wie der vorgefundene Raumknick.
Michelangelo hat in der Laurentiana-Bibliothek in Florenz erstmalig eine Treppe zu einer Funktionsskulptur formalisiert, bei Volker Lang wird die Skulptur zur befreiten Form der Treppe. Sowohl der aufsteigende Raum wie die Stufen selber sind Keile, und das auf dem Grundriß eines Parallelogramms, was wiederum Anklänge an die expressionistische Bühnenarchitektur aufweist. Das liebevoll bearbeitete Material läßt ein Changieren zwischen dem Charakter eines Modells und einem schön gebauten Großmöbel zu. Doch Volker Lang ist Bildhauer, nicht Designer. Und er hat nicht nur die Gedanken voll mit den Rückbezügen auf traditionelle Kunst, sondern auch Respekt vor seinem Material, wenn er sagt: „Man weiß schon, es ist immer weniger als der Baum. So muß man versuchen, das allerbeste daraus zu machen.“
Hajo Schiff
Künstlerhaus Weidenallee 10b, noch Do, Fr+Sa 18-20 Uhr.
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