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Personenbalken

■ Ausstellung von Rudolf Bonvie

Schon vor zwanzig Jahren schleuderte er die Bierflasche gegen die Fernsehmattscheibe und empfahl die dreiteilige Fotodokumentation als Antiisolationsmaschine. Heute ist der 49jährige Rudolf Bonvie anerkannter Fotokünstler und weit weniger wild, aber immer noch genauso medienkritisch. Die Galerie Vorsetzen zeigt jetzt neben dem alten Wutausbruch einige neue Großfotos.

“Wer die Bilder beherrscht, beherrscht die Köpfe“ zitiert Rudolf Bonvie Bill Gates. Das breite Textband verdeckt fast zur Gänze die lebensgroße Fotografie des Mannes und so zeigt der Künstler, daß ein einfacher Bubble-Jet-Printer noch ausreicht, kritische Bilder zu erzeugen. Der immer wieder verwendete Balken vor den Augen ist zum Balken vor der Person geworden.

„Wir leben nur in Angst. Es ist die Angst vor allem, was wir nicht sehen, und das meiste sehen wir nicht...“, sagt der Kunstphilosoph Boris Groys. Das ist nicht nur auf die Blindheit in der Bilderflut zu beziehen, sondern auch auf die Bedrohung durch Unsichtbares: Lange beschäftigte Bonvie sich in seiner Rhapsodie nucleaire mit der Visualisierung atomarer Gefahren.

So gesehen ist Kunst ein Beschwörungsprozeß, doch oft ein Ritus von Blinden. Wenn Claudia Schiffer im Frankfurter Museum für moderne Kunst auf der Installation der Künstlerin Katharina Fritsch Mode zur Schau stellt, so ist auch dies Bonvie einen bissigen Kommentar wert: „Der Deutschen Kunst“ ist das Großfoto betitelt.

Doch überwiegend sind Bonvies Arbeiten nicht politisch, sondern ästhetisch. Seit Jahren reist der Kölner Künstler gerne nach Tunesien. Dort entwickelte er seine Ornament-Serien: Großfotos arabischer Formvielfalt sind gerahmt hinter großen Kristallspiegeln, denen er bis auf einen schmalen Streifen die Spiegelschicht abschleift. So wird die Reflexion des Ausstellungsraumes und des Besuchers Teil des abgebildeten Bildmotivs.

Bonvie nennt seine Fotos „Vorstellungsbilder“ und setzt diese als offene Bildfelder und autonome Bildrealität gegen das herkömmliche fotografische Abbild.

Wem diese komplexen Manifestationen zur Ästhetik der Fotografie zu streng sind, kann sich im Lichtschacht am kunsttheoretischen Witz der Bremer Künstler Andree Korpys und Markus Löffler freuen: sie haben Denkmäler geöffnet, indem sie die Sockel zu Wohnhöhlen ausbauen. Hajo Schiff Galerie Vorsetzen, Seilerstr. 29, Mi-Fr, 11-18, Sa, 11-14 Uhr, bis 4. Mai

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