: Migrantinnen tragen die doppelte Last
■ Erste Bilanz des Umschulungs-Projekts für afghanische Frauen in Hamburg Von Stefanie Winter
Die berühmt-berüchtigte Vereinbarkeit von Familie und Beruf meinte Elke Harder nicht, als sie gestern während einer Pressekonferenz von einer „doppelten Last“ sprach, die ausländische Frauen zu tragen haben. „Einmal unterliegen sie den rechtlichen und sozialen Beschränkungen, mit denen Ausländer hier insgesamt konfrontiert werden“, sagte die kaufmännische Geschäftsführerin des FrauenTechnikZentrums (FTZ). „Zusätzlich erleben Ausländerinnen die sozialen und ökonomischen Beeinträchtigungen, die generell Frauen betreffen.“ Wenn sie überhaupt einen Zugang zur Berufstätigkeit bekämen, dann in den niedrigsten Lohngruppen. Qualifizierung finde kaum statt, Ausländerrecht und Arbeitsgesetze verhinderten eine Aus- oder Weiterbildung.
Eine erste Qualifizierungsmaßnahme für Migrantinnen läuft seit einem Jahr in Hamburg. 20 Frauen, die vor dem Krieg in Afghanistan geflohen sind, werden im FTZ und zeitgleich in verschiedenen Betrieben zur Bürokauffrau oder zur Kauffrau für Bürokommunikation ausgebildet. Finanziert wird das Umschulungsmodell vom Senatsamt für Gleichstellung, der Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung und dem Europäischen Sozialfonds. Entstanden ist es in einer Kooperation des FTZ mit der Gesellschaft afghanischer Frauen.
Diese Gesellschaft wurde 1993 in Hamburg gegründet, um die Unsicherheit und Frustration der aus Afghanistan geflohenen Frauen aufzufangen, erklärte Fariba Dadfar, eine Dozentin der Umschülerinnen. Viele Frauen seien vor ihrer Flucht berufstätig gewesen; die Umschülerinnen verfügen alle über Abitur, nicht wenige haben ein Studium unterbrechen müssen. Mit der Qualifizierung in einem kaufmännischen Beruf werde ihnen eine „nicht so frauenspezifische“ Umschulung „in Richtung Wirtschaft“ angeboten, meinte Hamburgs Senatorin für die Gleichstellung, Christina Weiss. Durch die Umschulung erhielten nicht nur einige wenige Migrantinnen eine berufliche Perspektive, es sei vielmehr ein erster Schritt zur langfristigen Veränderung der Erwerbssituation ausländischer Frauen und Männer. Grundsätzlich seien sie sehr motiviert, ein gleiches Projekt auch für Frauen anderer Nationalitäten anzubieten, bestätigten die Frauen vom FTZ. Die Finanzierung ist dabei allerdings noch unklar; die Förderung mit europäischen Mitteln ist eine einmalige Angelegenheit. Es sei jedoch relativ häufig, meinte die Senatorin optimistisch, daß für bereits angeschobene Projekte anschließend andere Träger gefunden werden.
Dringend werden noch zwei Plätze in Betrieben gesucht, in denen die Umschülerinnen den praktischen Teil ihrer Ausbildung absolvieren können. Wer einen solchen Platz zu bieten hat, melde sich im FTZ unter 040/251 43 99.
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