■ Mit Chancen und Miseren auf du und du
: Osteuropa als Modell

Kiew (taz) – Die Ukraine ist ein Paradies für Energieverschwender und -sparer. Elektrizität ist eines der wenigen Güter, die sich die 52 Millionen UkrainerInnen bedenkenlos leisten können. Die Strompreise für Privathaushalte deckten 1994 die Kosten nur zu etwa einem Siebtel. Die Kilowattstunde für die Industrie kostet zwar zehn- bis fünfzehnmal mehr. Trotzdem schlucken die Unternehmen 54 Prozent der erzeugten Elektrizität.

Aus der Sowjetzeit hat das Land ein Übergewicht des Maschinenbaus geerbt. Seit 1990 fällt der Ausstoß an Gütern stark, der Energieverbrauch allerdings weit weniger. Ergebnis: Der Energieeinsatz pro Produkt ist von 1990 bis 1994 um 73 Prozent gestiegen. Damit liegt die Ukraine laut einer UNO-Veröffentlichung acht- bis zehnmal höher als der westeuropäische Durchschnitt.

Durch die Verschwendung drücken sich die Betriebe selbst die Kehle zu. Weil Rohstoffe, Öl und Gas annähernd zu Weltmarktpreisen aus der ehemaliSowjetunion bezogen werden, sind die Stückkosten ukrainischer Waren zu hoch – trotz Löhnen von nur 50 bis 600 Mark.

Nach Angaben des Öko-Instituts in Darmstadt und Berlin liegt der Wirkungsgrad ukrainischer Öl- und Gasbrenner bei 25 bis 35 Prozent. Moderne Gaskraftwerke wandeln jedoch mehr als 50 Prozent des eingesetzten Rohstoffs in Strom um. Für 6 bis 12 Milliarden Dollar könnte die Ukraine mit neuen Anlagen versorgt werden, die bei gleichem Gasverbrauch zwischen 4.000 und 15.000 Megawatt mehr Leistung lieferten. Damit wäre die Versorgung bis zum Jahr 2010 gesichert – ohne Kernkraft.

Erst im Jahr 2010 würde laut der Studie des Öko-Instituts der Stromverbrauch wieder über das Level von 1990 steigen. Schon früher wären jedoch die alternativen Energien und ihre Standorte so weit erforscht, daß sie den Mehrverbrauch leicht auffangen könnten. Von Biogasanlagen in den Kolchosen bis zu Sonnenkollektoren würden damit dringend nötige Arbeitsplätze außerhalb der Schwerindustrie geschaffen.

Als besonderes Schmankerl wollen Wissenschaftler Wind- und Wasserkraft kombinieren. Dabei pumpt ein Windrad ständig Wasser eine Staustufe hoch. Das Wasser treibt dann eine Turbine an. Dadurch wird die Stromerzeugung unabhängiger von Windschwankungen, komplizierte Regeltechnik entfällt. Nach Meinung von Greenpeace Ukraine könnten „bei Bau und Betrieb solcher Kombistationen in der Nähe von Kiew auch die Arbeiter der Tschernobyl-Reaktoren eine neue Anstellung finden“. rem