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Infopool über „Volksfeinde“

■ Der Chef der Verfassungsschutzbehörde in Sachsen-Anhalt, Wolfgang Heidelberg, zu den schwarzen Listen der rechten Szene

taz: In den Medien kursieren seit Tagen Nachrichten über schwarze Listen der rechten Szene. Gibt es diese Listen tatsächlich?

Wolfgang Heidelberg: In der Form, wie man sich solche Listen vorstellen mag, sicherlich nicht. Es sind in Medien der rechten Szene verschiedene Male Namen von Personen aufgetaucht, die aus Sicht der Rechtsextremisten mißliebige Personen sind. Ferner gab es die Aufforderung, über mißliebige Personen Informationen anzulegen. Diese Informationen sollten enthalten: Namen, weitere Einzelheiten zur Person, gegebenenfalls auch Hobbys und ähnliches. Was man veröffentlicht hat, sind Namen von Personen, an deren Namen und Funktion man relativ leicht herankommt, zum Beispiel Richter, die Verbotsverfügungen bestätigt haben, Polizisten, die bei Durchsuchungen beteiligt waren, Richter, die Durchsuchungsbefehle unterschrieben haben oder ähnliches.

Es ist aber zum Anlegen von Listen aufgerufen worden?

Nein, es ist nicht zur Anlage von schwarzen Listen aufgerufen worden, über sogenannte „Volksfeinde“ Informationen und Daten zu sammeln. „Volksfeinde“ sind diejenigen, die sich direkt oder indirekt gegen die nationale Sache oder nationale Gruppierungen aussprechen. Über solche Personen will man Akten und Dateien anlegen.

Eine zentrale Rolle bei solchen Aufrufen scheint das vom Neonazi Steffen Hupka herausgegebene Strategieorgan „Umbruch“ zu sein.

Das ist richtig, und im Umbruch werden auch die Ziele dieser Datensammlung benannt.

Was sind denn das für Ziele?

Da kann ich nur zitieren: „Der rasende Verfall des Rechtsstaates zwingt uns als Nationale, wie viele andere Bürger auch, zur Selbsthilfe zu greifen. Dies ist legitim und steht uns laut Grundgesetz, Artikel 20, ,Widerstandsrecht‘, zu. Natürlich muß es auch darum gehen, Straftaten von Zielpersonen, die aus verschiedenen politischen Gründen heute nicht verfolgt werden, zu dokumentieren, um diese Personen in absehbarer Zeit vor Gericht stellen zu können. Jeder politische Realist, und unsere Gegner am allerbesten, weiß heute, daß die gegenwärtig Herrschenden ihre längste Zeit bereits hinter sich haben. Wir wissen, daß wir dann vorbereitet sein müssen.“

Beobachten Sie nach diesem Aufruf die rechte Szene intensiver?

Das Ganze ist für uns nicht neu. Die ersten Aufrufe zur Informationssammlung gab es schon im November. Seitdem beobachten wir die Entwicklung in Sachsen- Anhalt sehr intensiv.

Ist Sachsen-Anhalt aus Ihrer Sicht eine Hochburg der rechten Szene?

Nein, keine größere Hochburg als andere Länder auch. Aber uns ist es in jedem Fall zuviel, was hier läuft. Und selbst wenn wir in irgendeiner Statistik das Land mit den geringsten Erscheinungsformen wären, wäre das kein Grund, die Hände in den Schoß zu legen. Interview: Uwe Ahlert

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