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Ein Garten-Ghetto ganz neuen Typs

■ Harburg: Plan für neue Schlafstadt Neugraben-Fischbek läßt Rotgrün platzen Von Heike Haarhoff

Der Streit um ein Wohn-Ghetto für 10.000 Menschen in Neugraben-Fischbek (taz berichtete) sorgt für forsche Töne: Gestern erklärte die Harburger GAL die Verhandlungen mit der SPD über die Wiederwahl des sozialdemokratischen Bezirksamtsleiters Michael Ulrich für gescheitert. Der Grund: Das Festhalten der SPD an dem Bebauungsplan Neugraben-Fischbek 15 sei eine Entscheidung „gegen die bezirklichen Interessen“, die von der GAL nicht mitgetragen werde. Die SPD müsse „ihr politisches Selbstverständnis gründlich überdenken“, rät der grüne Vorstands-Sprecher Ronald Preuß, sonst gebe es „auf absehbare Zeit keine Perspektive für eine GAL / SPD-Kooperation in Harburg“.

Die Bezirks-SPD will von ihrer sturen Planung mangelnder sozialer und kultureller Infrastruktur sowie fehlender Anbindung an den alten Ortskern Neugraben nicht lassen: Das 146 Hektar große Gebiet soll mit zwei- bis fünfgeschossigen Einzel-, Reihen- und Wohnblockhäusern zugeklotzt werden; jeweils zwei Fünftel sollen über den sozialen Wohnungsbau bzw. den dritten bis fünften Förderweg, der Rest frei finanziert werden.

Nicht nur 60 Hektar wertvolles Moor würden so nach dem Planerwillen von Bezirks-SPD und Stadtentwicklungsbehörde (Steb) unter der Wohnsiedlung begraben: Die „neue Schlafstadt“ in isolierter Lage wiederhole die „städtebaulichen Sünden der 60er Jahre“, hatte die stadtentwicklungspolitische Sprecherin der GAL, Heike Sudmann, bereits im vergangenen August gewarnt.

Als Alternative zu den „ökologisch wie sozial bedenklichen Planungen der Behörden“ stellte Uni-Professor Georg Schottmayer nach zweisemestriger Forschungszeit am Donnerstag ein abgespecktes Siedlungs-Konzept für 1.000 statt vorgesehener 3.000 Wohnungen vor. Dieser Plan erlaubt „lediglich eine Bebauung der Sand-, nicht aber der Moorgebiete“. 40 Prozent der Fläche, die die Stadt zubetonieren will, würden naturbelassen bleiben; Einfamilienhäuser soll es „aufgrund des enormen Flächenfraßes“ gar nicht geben. Allerdings könnten dann auch „nur“ 3.500 Menschen – ein Drittel der ursprünglich veranschlagten künftigen BewohnerInnen – nach Neugraben-Fischbek ziehen: „Mehr ließen sich mit der geplanten Infrastruktur sowieso nicht versorgen“, sagt Schottmayer. 10.000 einander Fremde, die sich als Nachbarn eines nicht historisch gewachsenen Stadtteils auf der grünen Wiese zusammenraufen sollten, könnten keine funktionierende soziale Einheit bilden.

Steb-Sprecher Bernd Meyer hingegen hielt die von ihm propagierte „Gartenstadt neuen Typs“ schon vor Monaten für „qualitätvoll und abwechslungsreich“. Einwände werden in einem Wortschwall aus sozialpädagogischem Planerdeutsch ertränkt: „Eine grundlose Stigmatisierung belastet die Integration der künftigen Bewohner mehr als alles andere.“

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