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Alles Lockerungsübungen

■ Welche Chancen hat die CDU bei den Grünen? Ein Interview mit dem Grünen-Abgeordneten und Vizepräsidenten der Bürgerschaft Hermann Kuhn

taz: Nach den letzten Landtagswahlen sieht es fast so aus, als ob die Grünen dauerhaft ins politische Abseits rutschen. Nun haben Krista Sager, Rezzo Schlauch, Ralf Fücks reagiert: Die Grünen sollten eine Koalition mit der CDU nicht mehr ausschließen. Gibt es denn eine ernsthafte Debatte bei den Bremer Grünen über Schwarz-Grün?

Hermann Kuhn, grüner Abgeordneter und Vizepräsident der Bürgerschaft: Ich glaube nicht, daß es die gegenwärtig gibt. Die nächsten Wahlen sind 1999. Natürlich müssen, finde ich, auch die Grünen begreifen, daß jede demokratische Partei grundsätzlich mit jeder anderen eine Koalition eingehen kann. Die gegenwärtige Diskussion erscheint mir aber auf allen Seiten mehr als Lockerungsübung.

Wie das?

Die CDU muß ein Interesse daran haben, sich als nicht so ganz fern von grünen und ökologischen Themen darzustellen. Ihr kann es nur nutzen, daß es CDU-Politiker gibt, die ein bißchen frecher auftreten und eine Koalition mit den Grünen in die Debatte werfen. Damit kriegen gerade junge Leute mit: Aha, auch in der CDU gibt es Strömungen, mit denen man was machen kann. Wie ernsthaft das ist, das weiß ich nicht. Aber für die CDU ist das einfach von Vorteil.

Und für die Grünen ist das auch eine Lockerungsübung. Die Grünen haben sich vorgestellt, daß sie zusammen mit der SPD ihren gesellschaftlichen Aktionsradius erheblich erweitern. Da haben wir uns mit der SPD verbunden. Und jetzt stellen wir fest, daß wir an die SPD fetgebunden sind. Verständlich, daß wir uns da ein bißchen lockermachen.

Auch wenn es erstmal nur taktisch klug für die CDU ist, daß es in ihren Reihen Politiker gibt, die die schwarz-grüne Karte ziehen. Es scheint ja nun tatsächlich CDU-Politiker in Bremen zu geben, die an die schwarz-grüne Option glauben, gerade unter den Jüngeren. Halten Sie das nur für ein taktisches Spiel, oder ist das ernstgemeint?

Das ist am Ende schwer zu beurteilen. Das ist schon eine Generation, die unseren Themen, unserem Lebensstil und unseren Auffassungen von Politik näher steht. Für die ist es sicherlich in der innerparteilichen Auseinandersetzung in der CDU eine Trumpfkarte, daß sie andere Optionen verkörpern. Wenn sie sagen: Mit uns ist das machbar, mit anderen nicht – dann scheiden die anderen schon mal aus für solche Situationen.

Bei den Grünen hat man mehr den Eindruck eines umgekehrten Generationsproblems: Die Jungen können sich eine Koalition mit der CDU überhaupt nicht vorstellen, die alten Hasen dagegen drängen immer wieder darauf, daß sich die Grünen nicht an die rot-grüne Option ketten dürfen.

Leider gibt es ja bei den Grünen dieses Generationsproblem in Wahrheit nicht.

Keine Jungen, kein Problem.

Ja, wenig. Es gibt aber eine Strömung, die Politik eher emotional und von der Bewegung her im klassischen Sinne ideologisch begründet. Die hat Rot-Grün immer als „Bündnis“, als „Schicksalsgemeinschaft“ verstanden. Und dann gibt es die eher pragmatische Sichtweise, die sagt: Eine Koalition ist eine politische Konstellation auf Zeit, wir sind eine Partei, und eine Partei will regieren. Und wenn Regieren mit der CDU möglich ist – damit meine ich nicht nur „in der Regierung sitzen“, sondern regieren, also gestalten – warum sollte man das nicht machen?

Zu den letzteren gehört der Abgeordnete Kuhn?

Ja sicher.

Aber kann das gut gehen? Innenpolitik, Verkehrspolitik, Verkäufe von staatlichen Beteiligungen – mir fallen mehr Konfliktfelder zwischen Grünen und CDU ein als Gemeinsamkeiten.

Mir auch. Wenn man die Sitzungen der Bürgerschaft leitet, dann hat man von oben einen anderen Blick. Da gibt es zwei Teilungen des Parlaments. Die eine ist die zwischen Regierung und Opposition. Da sind wir der AfB aus ganz natürlichen Gründen in vielen Fragen näher. Dann gibt es aber Debatten, die sich freier entwickeln. Und da gibt es doch sehr häufig die klassische Links-Rechts-Teilung. SPD und Grüne gegen AfB und CDU. Die SPD ist uns sicherlich im Augenblick noch näher als die CDU. Aber ich sage trotzdem: Vorstellen kann ich mir auch eine Koalition mit der CDU. Dazu muß man aber ein anderes Bild von einer Koalition haben.

Als Zweckbündnis.

Genau. Manchmal lohnt es sich ja, andere Länder anzugucken. In Deutschland werden Koalitionen ziemlich überhöht. Im schönen kleinen Island gab es in den letzten 30 Jahren keine Koalition, die es noch nicht gegeben hat, und nicht zum Nachteil des Landes. Ich kann mich nicht erinnern, daß es darüber grundsätzliche Debatten gegeben hat, ob man das darf oder nicht. Das heißt nicht, daß die Koalitionen dort auch halten oder ob sie konfliktfrei sind. Aber sie werden gemacht.

Es kommt auf den Wählerwillen an. Das ist das Entscheidende. Wenn es ein Ergebnis gibt, nach dem es mit CDU und Grünen zusammen geht und mit SPD und CDU zusammen – da werde ich doch als Grüner versuchen, politischen Einfluß zu gewinnen, wenn es machbar ist. Ich plädiere dafür, das viel nüchterner zu sehen. Auf unsere heutige Politik wird es aber ohnehin keinen Einfluß haben: Die sollte bündnisgrün sein, sonst gar nichts.

Fragen: Jochen Grabler

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