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Arbeiten mit Plus-Minus-Null

■ Zwischen Zwängen und großen Entwürfen: Wulf Köpke, Direktor des Völkerkundemuseums

taz: Wulf Köpke, Sie sind jetzt seit vier Jahren Direktor des Völkerkundemuseums. Was konnten Sie bisher bewegen?

Wulf Köpke: Es hat sich sehr viel bewegt. Wir sind das besucherstärkste Völkerkundemuseum Mitteleuropas, mit weitem Abstand. Dennoch haben wir den großen Durchbruch noch lange nicht geschafft. Wir haben zwischen 150.000 und 175.000 Besucher. Aber wir sind ohne weiteres für das Doppelte oder mehr gut.

Es ist uns aber bereits gelungen, der Stadt bewußt zu machen, daß sie ein Völkerkundemuseum hat, das ihr auch etwas nutzen kann.

Wir haben es außerdem geschafft, dem nicht deutschsprachigen Teil der Bevölkerung zu vermitteln, daß sie hier einen Repräsentations- und Anlaufpunkt hat. Viele Menschen anderer Nationen haben uns gesagt, seit sie mit uns zu tun haben, fühlen sie sich das erste Mal in Hamburg zu Hause. Das ist das schönste Lob, das ich für unsere Arbeit bekommen habe.

Wie geschieht diese Zusammenarbeit?

Wir haben eine doppelte Strategie mit doppeltem Effekt entwickelt. Anhand der Objekte versuchen wir zu zeigen, wie Leute aus anderen Kulturen denken. Aber das hat natürlich Tücken, weil ich als Ethnologe mit einem beschränkten Blick behaftet bin. Deswegen lassen wir hier Menschen ihre eigene Kultur vermitteln. Dabei müssen wir lernen, daß das, was wir für wissenschaftlich richtig halten, nur eine Wahrheit ist. Die Kombination von beiden Sichtweisen ist das Fundament, auf dem das Museum ruhen soll. Und in der 200jährigen Tradition der Ethnologie ermöglicht der Vergleich auch, über unsere eigenen Kultur nachzudenken.

Kann man den durchschnittlichen Museumsbesucher, der hier seine freien Stunden etwas exotisch verbringen möchte, zum Einhalten, zur Besinnung bekommen?

Wir haben das nur punktuell bei Sonderausstellungen wie Afrika in Amerika oder über Turkmenistan geschafft. Dagegen schrickt der Besucher, der nicht schon sehr viel Vorwissen mitbringt, bei der Südsee-Sammlung wahrscheinlich zurück. Das ist besucherfeindlich, und das zu ändern wird die Arbeit der nächsten Jahre sein.

Ist der langfristige Umbau der Sammlungen finanziell gesichert?

Bisher war er stets gesichert. Wir haben dafür circa 5 Millionen Mark zur Verfügung.

Es hat hier im Haus bis vor kurzem noch sehr heftige Widerstände gegen Sie und Ihre Politik gegeben. Wo lag der Konflikt?

Es war der Widerstreit zweier Konzeptionen. Eine Konzeption, die sagt: Strenge Wissenschaftlichkeit, wobei dann eher egal ist, was für das Museum raus kommt. Mein Konzept aber ist, output- und besucherorientiert im Team zu arbeiten. In so einem Team hat derjenige die Führung, der der Kompetenteste ist, und die Kompetenz wird durch Leistung nachgewiesen, nicht durch Gehaltsstufe.

Es hat jetzt endlich einige personelle Veränderungen in Ihrem Sinne gegeben. Können Sie Ihr Team-Konzept jetzt umsetzen?

Wir arbeiten dran. Und die Senatorin hat uns aufgegeben, im Haus strukturelle Änderungen anzugehen, damit es auch funktioniert. Wir haben die volle Rückendeckung der Kulturbehörde.

Aber kann man im Sparzwang wirklich Strukturen verbessern?

Nur im Sparzwang.

Erklären Sie uns das?

Weil ich einfach gezwungen bin, mir zu überlegen, wie ich das Geld möglichst effektiv einsetze. Jede Schwäche, die wir in der Organisation haben, wird ganz schnell offenbar, wenn schon 2000 Mark über Leben oder Sterben einer Idee entscheiden.

Es gibt ja immer wieder die Forderung an die Museen, sie sollten mehr an die freie Wirtschaft vergeben, um Geld zu sparen. Inwieweit ist das überhaupt realistisch?

Das muß man sehr, sehr genau abwägen. Wenn „Outsourcing“ zur reinen Ideologie wird, muß man ihr mannhaft widerstehen. Zum Beispiel wird immer wieder behauptet, man könne das Aufsichtspersonal von Fremdfirmen bekommen. Das ist ein absoluter, horrender Unsinn. Das sind Fachverkäufer. Niemand würde ein Fachgeschäft ohne Fachverkäufer führen. Auch die Putzfrauen müssen absolute Vertrauenspersonen sein, damit sie nicht in Versuchung kommen, zu klauen. Eine schlecht bezahlte Putzkolonne kommt mich auf die Dauer teurer. Aber Grafik kann ich natürlich mit gutem Ergebnis nach außen vergeben.

Das größte Problem

Was sind die drängensten Probleme hier im Museum?

Die Magazine. Die ganzen Pläne, die Dauerausstellungen neu zu machen, werden ganz massiv durch den schlechten Zustand der Magazine behindert. Außerdem stellt deren Zustand auch die Legitimität des Museums in Frage. Wir haben immer gesagt, wir sind die Schatzhüter für die ausgestorbenen, ausgerotteten Kulturen. Doch Angehörigen fremder Völker, die kommen, um unser Archiv ihrer Vergangenheit zu nutzen, können wir nicht helfen. Ich geniere mich richtig, die in unsere Magazine zu führen. Ich empfinde das für diese Völker, die wir Europäer ja teilweise mit ausgerottet haben, wie eine zweite Hinrichtung.

Im Moment ist bei den Museen die Verselbständigung Thema Nummer eins. Was muß – am Beispiel des Völkerkundemuseums – passieren, damit diese Sinn macht?

Es muß eine sehr viel klarere Kompetenzenverteilung geben. Eine größere Flexibilität in der Aufgabenzuschreibung. Man muß auf allen Ebenen überlegen, werden die Leute den Strukturen oder die Strukturen den Leuten gerecht. Und davon dürfen Direktoren nicht ausgenommen werden. Man braucht klare Leistungsabsprachen auf Grund einer Analyse der Kompetenzen, um jeden Mitarbeiter optimal einsetzen zu können. Auch die Selbstdefinition des Museums muß sehr viel klarer werden: Was wollen und was können wir. Und wir brauchen den Mehrjahresplan.

Warum ging das in dem bisherigen System nicht?

Wenn man Subventionen bekommt, ohne daß gefragt wird, was man damit macht, braucht sich niemand darum zu kümmern. Deswegen brauchen wir auch von der Politik klar definierte Ziele, wofür die Museen gesellschaftlich da sind.

Eine derartige Erneuerung der Museen, wie Sie sie in Holland beispielhaft studiert haben, kostet aber zuerst mehr Geld. Wie verträgt sich das mit dem Sparzwang?

Die Politik muß sich einfach im Klaren darüber sein, was sie will. Unser Museum etwa wird mit rund 6 Millionen Mark gefördert. Und wir sind jetzt bei einem operativen Etat von Plus-Minus-Null. Das heißt, wir sind eigentlich hand- lungsunfähig. Entweder muß man da noch etwas zutun, oder man muß die Institution so umorganisieren, daß sie effektiver werden kann, oder aber man muß das Museum zu machen. So kann es auf jeden Fall nicht weiter gehen.

Was spart man denn überhaupt, wenn man das Museum schließt?

Circa eine halbe Million. Alles andere müßte man weiter zahlen.

Sind die Überlegungen zu einer Strukturreform denn Konsens unter den Museumsdirektoren?

Nicht nur unter diesen. Auch der Kulturbehörde und den Personalräten ist glaube ich klar, daß etwas grundlegendes geschehen muß. Wie der Weg sein wird, wissen wir noch nicht, aber wir sind in einer vorbildlichen Diskussion.

Stehen die Personalräte Effizienzmaßnahmen wirklich postitiv gegenüber? Auch wenn dann die paradiesischen Zustände endlosen Kündigungsschutzes ohne Leistungsnachweis zu Ende gehen?

In dem holländischen Modell, das wir uns hier ja als Vorbild nehmen, hat die Umstrukturierung gerade zu größeren Mitarbeiterstäben geführt. Die Abläufe werden verschlankt, aber die Funktionen werden eher mehr als weniger.

Und das legitimiert sich dann über steigende Besucherzahlen?

Ja, viele der neuen Mitarbeiter werden durch Mehreinnahmen getragen. Das klingt sehr utopisch, ist aber einfach eine Frage der Prioritätensetzung. Und das könnte auch hier gelingen. Das momentane Sparen zumindest ist einfach nicht mehr sachlich, weil einem niemand mehr erklären kann, wo man die Leistungen kürzen soll, um die Quote zu erbringen.

Sie haben recht erfolgreich damit begonnen, den Hamburger Polizisten die Kultur der Kurden zu vermitteln. Heißt das, das Museum besitzt noch einen unerschlossenen Bereich von Dienstleistungen?

Richtig. Wir müssen erst lernen, was unser Publikum eigentlich braucht. Es ist wichtig, daß sich das Museum als Anbieter von Dienstleistungen versteht. Die Polizistenschulung ist da mit Sicherheit ein ganz wichtiger Beitrag.

Was ist aus Ihrer Idee eines ethnologischen Informationsservices geworden?

Wir haben das erst ansatzweise geschafft. Die Ansätze sind aber ganz toll aufgenommen worden. Die Frequenz der Bibliotheksbenutzung und die Anfragen nach Recherchen haben sich verzehnfacht.

Die hier angesiedelten Themen sind von ungeheurer gesellschaftlicher Relevanz. Ich denke nur an die sogenannten ethnischen Kriege aber auch an die Konstanz von Vorurteilen oder die Legitimation von Nationalismus. Wollen Sie ein politisches Museum sein?

Das ist für uns eine ganz zentrale Frage. Allein durch die Wahl der Themen sind wir schon politisch. Aber wir müssen uns natürlich einen relativ neutralen Standpunkt erhalten, um nicht an Seriosität zu verlieren. Ich will, daß die Menschen sich und ihre Kulturen darstellen können, aber ich will nicht Noten verteilen. Grundsätzlich sind wir ein Anwalt der Kulturen und eine Anlaufstelle, wo Deutsche und Ausländer auf neutralem Boden zusammenkommen können. Wobei unsere Aufgabe nicht ist, Menschen dazu zu bringen, daß sie die Ausländer „mögen“, aber wir möchten, daß sie versuchen, sie zu verstehen. Das ist unsere allerwichtigste Aufgabe.

Fragen: Hajo Schiff

und Till Briegleb

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