: Mit dem Trennschleifer gegen den Ökowahnsinn
■ Umweltschützer sabotieren einen umstrittenen Staudamm in Nordspanien
Madrid (taz) – „Wir haben beschlossen, den Abriß des Staudammes in Itoiz in die eigene Hand zu nehmen“, begründete eine Gruppe von Umweltschützern ihre spektakuläre Sabotageaktion am vergangenen Samstag.
Am frühen Morgen drangen acht Vermummte auf das Baugelände des fast fertiggestellten Stausees nahe der nordspanischen Stadt Pamplona ein. Sie entwaffneten und fesselten den Wachbeamten und machten sich an die Arbeit: Mit einem Trennschleifer kappten sie sechs lange Stahlseile einer Transportseilbahn für Baumaterialien. Die hohe Spannung – 140 Tonnen pro Quadratzentimeter – verwandelten die sieben Zentimeter dicken und 900 Meter langen Drahtseile in peitschenartige Geschoße. Auf ihrem Weg hinab ins Tal zerstörten sie neben den Masten der Seilbahn das eigens auf dem Gelände errichtete Betonwerk. Das Ministerium für öffentliche Arbeiten schätzt den enstandenen Schaden auf sechs Millionen Mark. Die Bauarbeiten müssen für mindestens sechs Monate unterbrochen werden. Eine Nachricht, die die Gruppe „Solidarisch mit Itoiz“, der die Saboteure angehören, über die Verhaftung ihrer acht Aktivisten noch auf dem Baugelände hinwegtrösten dürfte.
In den letzten Jahren war es immer wieder zu Protesten gegen den zwei Milliarden Mark teuren Stausee am Rande der Pyrenäen gekommen. Einmal fertiggestellt, würde er ein 1.100 Hektar großes Tal mit 10 Dörfern überschwemmen. Der künstliche See soll gleichzeitig als Surf- und Badegebiet genutzt werden, was eine neue Landstraße und Parkplätze erforderlich macht. Die einstigen Anwohner des Tales, von denen trotz der Bauarbeiten noch immer zwanzig Familien ausharren, verlieren durch den Staudamm ihre Existenz. Außerdem fallen dem künstlichen See drei Naturschutzgebiete zum Opfer – das Ende für ein Ökosystem mit 150 verschiedenen Wirbeltierarten und Raubvögeln, darunter die in Spanien vom Aussterben bedrohten Fischotter. Letzten Herbst war das „Bündnis gegen Itoiz“ vor der höchsten spanischen Gerichtsinstanz, der Audiencia Nacional, teilweise erfolgreich. Ein Urteil verbietet den Betreibern seither, den See über eine bestimmte Marke hinaus zu füllen, um so zumindest einen Teil der besonders bedrohten Greifvogelarten zu schützen. Ein weiterer Ausbau der Staumauer wurde generell verboten. Das Gericht verlangte allerdings von den Klägern eine Kaution in Höhe von 24 Milliarden Peseten (290 Millionen Mark), um den Baustopp zu verfügen – die konnten nicht bezahlen. Die Regierung ließ daraufhin sogar über die Höchstmarke hinaus weiterbauen – bis die acht Umweltschützer das Urteil auf ihre Art umsetzten. Reiner Wandler
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