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Ein Sieg des Starrsinns

■ Das Beispiel Garching könnte Schule machen

Die von der bayerischen Staatsregierung erteilte Baugenehmigung für den neuen Forschungsmeiler FRM II in Garching ist, wenige Tage vor dem „Tschernobyl-Jubiläum“, zweifellos eine Niederlage für die Anti-AKW-Bewegung. Eine viel größere ist sie für die Bonner Außenpolitik. Als erstes Land verabschiedet sich die Bundesrepublik aus einem seit fast zwanzig Jahren gültigen Konsens: hochangereichertes Uran – den Stoff, aus dem sich ohne viel Aufwand ein atomarer Sprengsatz basteln läßt – Schritt für Schritt aus zivilen Brennstoffkreisläufen zu verbannen.

Auf diesem Weg war die Staatengemeinschaft ein erstaunliches Stück vorangekommen. Immer mehr Forschungsreaktoren kamen ohne Bombenuran aus. Die technisch anspruchsvolle Umstellung auf nicht mehr waffentaugliche Spaltstoffe ließen sich Amerikaner und Deutsche Hunderte Millionen kosten. Der Handel mit dem heißen Material brach fast vollständig zusammen, seit die USA 1992 den Export hochangereicherten Urans praktisch verboten. Der nun vorbereitete Einsatz des Bombenstoffs in Garching ist ein Affront gegen die USA.

Und gegen Bonn. Nur: Klaus Kinkel merkt es nicht oder will es nicht merken. Zu den im eigenen Land wenig honorierten Leistungen der jüngeren deutschen Außenpolitik gehört eine eigenständige nukleare Abrüstungsdiplomatie, die Bonn bei anderen Staaten ohne Kernwaffen ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit einbrachte. Dieser Vertrauensvorschuß wird in Garching verspielt. Zwar können nur notorische Verschwörungstheoretiker annehmen, die Bundesrepublik greife ausgerechnet mit Hilfe der TU München nach der Bombe. Doch niemand wird in Zukunft anderen Ländern ernsthaft verweigern können, was Bonn selbstverständlich und ohne Skrupel für sich in Anspruch nimmt. Das Beispiel Garching wird Schule machen, die Renaissance des „zivilen“ Handels mit Waffenuran ist nur eine Frage der Zeit.

In Zeiten der Standort-Deutschland-Hysterie wiegt der miefig-provinzielle Starrsinn einer Handvoll Garchinger Professoren offenbar schwerer als der Kampf gegen die Weiterverbreitung von Atomwaffen. Das muß nicht so bleiben. Mindestens fünf Jahre vergehen bis zur Inbetriebnahme. Fünf Jahre zum Nachdenken. Über Prioritäten. Gerd Rosenkranz

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