: Ökonomische Beschleunigung für Tram
■ Grüne wollen die Millionen aus dem Nichtbau der U-Bahn-Linie5 in den Neubau von Straßenbahnstrecken investiert sehen: Einsparungen in Millionenhöhe für die BVG und Mehreinnahmen für das Land Berlin
Mit dem Geld für die auf Eis gelegte U-Bahn-Linie 5 vom Reichstag bis zum Alexanderplatz soll etwas Vernünftiges gemacht werden: Es soll für den Neubau von Straßenbahnstrecken verwandt werden. Das fordert jedenfalls der bündnisgrüne Verkehrsexperte Michael Cramer. Wenn das Geld „intelligent und ideologiefrei“ eingesetzt werde, könne es die leeren Kassen von Land und BVG um mehrere 100 Millionen Mark entlasten, meinte Cramer. Er präsentierte gestern Anträge seiner Fraktion auf sofortigen Neubau von etwa 40 Kilometer Straßenbahnschienen. Laut Koalitionsvereinbarung soll die U5 nur noch vom Lehrter Bahnhof zum Reichstag gebaut werden. Für den restlichen Bauabschnitt soll bis 1999 nichts investiert werden. Von dem dadurch freiwerdenden Geld sollen 150 Millionen in den Neubau von Straßenbahnen investiert werden. Den Rest, eine Summe von 850 Millionen (laut Cramer) oder 350 Millionen (laut Verkehrsverwaltung), will der Senat als Teil des jährlichen Defizitausgleichs von 950 Millionen an die BVG überweisen. „Das darf nicht sein!“ fordert Cramer. Das Geld müsse statt dessen für Investitionen in neue Schienen genutzt werden. Immerhin habe der Senat beschlossen, solche Mittel aus dem „Gemeindeverkehrs-Finanzierungsgesetz“ nur für Investitionen zu benutzen.
Denn solche Investitionen entlasteten langfristig den Haushalt, schüfen Arbeitsplätze, sicherten Mobilität und schonten die Umwelt. Cramer beruft sich dabei auf ein Gutachten der BVG. Durch flächendeckende Vorrangschaltungen für die Tram könnte demnach bei einer Investition von knapp 50 Millionen die Wartezeit der Bahnen im Verkehr so verkürzt werden, daß die BVG über den Einsatz von weniger Wagen und weniger Personal im ersten Jahr 150 Millionen Mark und dann jährlich 8 Millionen einsparen könne. Die Vorrangschaltung für Busse ergäbe bei einer Investition von 100 Millionen eine einmalige Einsparung von 300 Millionen und jährliche Minderausgaben von 16 Millionen. Die Ausweitung der Busspuren (120.000 Mark pro Kilometer) von derzeit 87 auf 400 Kilometer beschere der BVG jährliche Einsparungen von 150 Millionen. Schließlich fordert Cramer die flächendeckende Parkraumbewirtschaftung in der gesamten Innenstadt: Das bringe der Landeskasse jährlich 100 Millionen zusätzliche Einnahmen.
Cramer erklärte, er wolle mit seinen Vorschlägen zur Haushaltskonsolidierung beitragen. Denn seine Ideen brächten dem Land über die Parkraumbewirtschaftung direkte Mehreinnahmen und der BVG mittelfristig Einsparungen. Diese wiederum verringerten das jährliche Defizit der BVG, das Berlin bis 1999 ausgleicht.
Trotzdem wächst das Defizit der BVG jährlich um 250 Millionen Mark. Wird diese Deckungslücke nicht geschlossen, steht die BVG zur Jahrtausendwende mit einem Schuldenberg da, und auf den Berliner Haushalt kommen möglicherweise neue Milliardenlöcher zu. BVG-Sprecher Klaus Watzlak bringt den Beschleunigungsplänen denn auch „viel Sympathie“ entgegen. „Darüber reden wir schon lange mit der Verkehrsverwaltung, aber Vorrang für die Bahn heißt eben Stopp für den Autoverkehr. Und das ist in Berlin schwer zu machen.“ Nur an 30 von 190 Ampelanlagen kann die Tram vorrangig fahren.
„Wir sind an einer Beschleunigung interessiert und sind mit der BVG im Gespräch“, meint Christian Lotze, Abteilungsleiter Verkehrslenkung in der Verkehrsverwaltung. Doch die BVG müsse für jede dieser Anlagen teuer bezahlen: „Bei der Landsberger Allee zum Beispiel kostet die Umrüstung der Anlagen eine Millionensumme.“ Bei einer Abwägung solle der öffentliche Verkehr bevorzugt werden, sagt Lotze. Das allerdings war zumindest in der Vergangenheit nicht so: Für drei Jahre nach der Vereinigung, so Lotze, galt als oberste Maxime: „Staubeseitigung auf der Straße.“ Bernhard Pötter
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen