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PKK-Prozeß eröffnet

■ Die vier Angeklagten sollen als süddeutsche Gebietsleiter für Brandanschläge verantwortlich gewesen sein

Stuttgart (AP) – Vier mutmaßliche Führungsmitglieder der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) stehen seit gestern im Hochsicherheitstrakt von Stuttgart-Stammheim vor Gericht.

Die drei Männer und eine Frau im Alter zwischen 25 und 46 Jahren müssen sich wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verantworten. Sie sollen als PKK-Gebietsleiter für Mannheim, Stuttgart, Ulm und München für Brandanschläge und Verwüstungen verantwortlich gewesen sein und Mordanschläge gegen sogenannte Abweichler gebilligt haben.

Etwa 100 Zuschauer in dem aus Prozessen gegen Linksterroristen bekannt gewordenen Hochsicherheits-Gerichtsaal des Oberlandesgerichts begrüßten die Angeklagten mit Sprechchören und ließen PKK-Führer Abdullah Öcalan hochleben. Die Beschuldigten machten das Victory-Zeichen, einer hielt eine Zeitung mit dem Bild Öcalans in die Höhe. Der Vorsitzende Richter des fünften Strafsenats, Peter Steinbach, drohte mit der Räumung des Saals.

Die Angeklagten verweigerten alle Angaben zur Person. Die Verteidigung beantragte die Einstellung des Verfahrens und bezeichnete die Beweismittel der Bundesanwaltschaft als äußerst dürftig. Die Anklage beruhe auf einem juristischen Konstrukt und werde im wesentlichen durch Kronzeugenaussagen gestützt. Die Art der Inszenierung des Prozesses sowie die gezielte Schaffung eines innenpolitischen Feindbildes ließen kein faires und rechtsstaatliches Verfahren erwarten.

Oberstaatsanwalt Wolf-Dieter Dietrich warf den Beschuldigten vor, dem professionellen Kader der PKK angehört zu haben. Sie hätten Decknamen benutzt, sich abgeschottet und konspirative Treffen durchgeführt. Der 46jährige Mehmet Nuri Akdeniz soll seit Mai 1994 als PKK-Gebietsleiter für Stuttgart, der 29 Jahre alte Mehmet Karaylian ab Februar 1994 in gleicher Position für Ulm zuständig gewesen sein. Die 30jährige Angeklagte Zülfiye Sanli soll seit Mai 1994 als Gebietsverantwortliche für München und der 25jährige Mehmetsirin Üner für Mannheim fungiert haben.

Dietrich sagte, die PKK habe ab Juni 1993 zentral gesteuerte Brandanschläge und Verwüstungen gegen türkische Einrichtungen in Deutschland durchgeführt. Ab Frühjahr 1994 seien auch Bestrafungsaktionen gegen Abweichler und Verräter in den eigenen Reihen angeordnet worden, die bis zur Liquidierung der Opfer gegangen seien. Er warf den Angeklagten vor, Mordanschläge gebilligt und systematisch militante Aktionen in Deutschland geplant und gesteuert zu haben.

Die Polizei kontrollierte auf den Zufahrtsstraßen Autos und Insassen. Das Verfahren ist zunächst bis in den Spätsommer terminiert.

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