Balkanische Fehler

■ Die Anerkennung Belgrads ignoriert die Minderheiten

Die Eile, mit der jetzt die Republik Jugoslawien (also Serbien und Montenegro) von London diplomatisch anerkannt wird, verweist auf die Stimmungslage in Großbritannien. Die ist nicht besonders gut, denn in der Balkanpolitik mußte das Foreign Office Niederlagen einstecken. Und es scheint nicht so, als ob Lehren daraus gezogen würden. Der Erhalt des Staates Jugoslawien lag London seit jeher besonders am Herzen, hatte die britische Politik doch nach dem Ersten Weltkrieg Jugoslawien aus der Taufe heben helfen.

Die Waffenbrüderschaft im Zweiten Weltkrieg, zuerst mit Mihailović' Tschetniks und später mit den Partisanen Titos, vertiefte noch die guten Beziehungen. Daß dieser Staat auseinanderbrechen würde, wollte London 1991 mit aller Macht verhindern – obwohl schon sehr bald klar wurde, daß Milošević Jugoslawien in einen Krieg stürzen würde. Das starre Festhalten an der alten Politik führte London in die erste Niederlage. Noch ist dort nicht verwunden, daß die Anerkennung Kroatiens und Sloweniens auf deutschen Druck hin erfolgte. Die serbischen Kriegsverbrechen wurden folgerichtig heruntergespielt. Mit allen Mitteln versuchte London, die Politik der UNO auf die Unterstützung Belgrads festzulegen. Das gelang zwar, doch die UNO mußte gehen. Diese zweite Niederlage wurde durch die USA bewirkt. Zwar versuchte London 1994, den Konflikt mit Washington in der Bosnienfrage bis hin zur Spaltung der Nato zu treiben, doch saß Clinton am längeren Hebel. In dem Maße, wie die Nato eingriff und die USA 1995 die militärische Gegenoffensive der Kroaten und Bosnier guthießen, sank der Einfluß Großbritanniens auf das Geschehen auf dem Balkan.

Mit der Anerkennung Belgrads soll wieder Boden gutgemacht werden. Es muß allerdings befremden, daß die britische Regierung, die zu Recht für die Minderheitenrechte der Serben in Kroatien eintrat, angesichts der Apartheidsituation im Kosovo und im Sandžak stillhält. Die Vermutung, es habe sich bei dieser Politik um ein rein instrumentelles Verhältnis zu den Minderheitenrechten gehandelt, scheint damit bestätigt zu sein. Wenn nun die EU und Deutschland den Briten folgen – in Bonn wird demnächst darüber beraten –, bedeutete dies einen weiteren Rückschlag für die Minderheitenrechte in ganz Europa. Erich Rathfelder, Split