: „Angst darf man nicht haben“
■ Die Profiboxerin Regina Halmich will morgen zum fünften Mal ihren WM-Titel verteidigen
Morgen abend will Regina Halmich ihren im Juni 1995 gewonnenen Weltmeistertitel gegen die 18jährige Ungarin Melinda Papp verteidigen. „Es wird eine spannende Auseinandersetzung“, verspricht die 1,60 Meter große Fliegengewichtlerin (bis 49 Kilogramm). Von ihren bisher 15 Kämpfen hat die 19jährige Karlsruherin nur einen verloren, aber fünf Gegnerinnen k.o. geschlagen. Vor dem WM-Fight in der Wandsbeker Sporthalle sprach die taz mit Deutschlands erster Profiboxerin.
taz: Der Deutsche Amateurbox-Verband (DABV) hat sich bis vor wenigen Monaten geweigert, Frauen aufzunehmen. Sind Sie deshalb gleich Profi geworden?
Regina Halmich: Für mich kam der DABV nie in Frage. Mein Heimtrainer Jürgen Lutz hat mich schon früh fürs Kickboxen entdeckt. Hier habe ich es bis zum Europatitel gebracht. Insofern hätte ich gegen wirkliche Amateurinnen, die meinetwegen ihren ersten Kampf haben, gar nicht antreten können. Das wäre unfair gewesen.
Warum haben Sie sich trotz Ihrer Erfolge im Kickboxen für das Profiboxen entschieden?
Boxen hat mir einfach am meisten Spaß gemacht. Im März 1994 hatte ich meinen ersten Profikampf – und gewann. Damals habe ich noch meine Ausbildung zur Rechtsanwaltsgehilfin gemacht. Also jeden Tag bis fünf Uhr arbeiten und dann noch drei Stunden Training. Ich war zu der Zeit wirklich fix und fertig und mußte mich zwischen Sport und Büro entscheiden. Der Profivertrag kam mir da genau recht. Seit Juni 1995 bin ich bei Universum (3 500 Mark Monatsgehalt; die Red.). Ich wohne noch in Karlsruhe, aber vor den Kämpfen trainiere ich in Hamburg.
Sie sind eine Angriffskämpferin. Werden Sie diese Taktik auch morgen beibehalten?
Natürlich muß man speziell in den ersten Runden vorsichtig sein. Aber ich bemühe mich immer, von Anfang an den Kampf zu bestimmen, indem ich temperamentvoll angreife. Da kenne ich nichts. Melinda Papp hat elf Kämpfe gemacht. Nur zwei davon hat sie verloren, und das auch nur zu Anfang ihrer Karriere.
Haben Sie Angst?
Nein, Angst darf man nicht haben. Natürlich ist die Aufregung da, speziell direkt vor dem Kampf. Aber im Ring gibt es nur noch die Gegnerin, mich und das Boxen. Ich versuche einfach alles anzuwenden, was ich gelernt habe.
Mit dem Profigeschäft wird auch die Vermarktung wichtiger. Konnten Sie auch hier schon kräftig zuschlagen?
Ich habe ein paar gute Angebote. Im Sommer bringe ich zusammen mit dem deutschen Meister für Aerobic ein Video heraus. Ansonsten verdiene ich beim Profiboxen wesentlich mehr als als Rechtsanwaltsgehilfin.
Jimmy Finn, Vizepräsident der Womens International Boxing Federation (WIBF), behauptet, das Preisgeld für Männer und Frauen sei gleich.
Das stimmt nicht. In der Weltspitze verdienen Männer bedeutend mehr, sowohl bei den Werbeeinnahmen als auch bei den Kämpfen (Halmich soll pro Kampf rund 5 000 Mark Gage erhalten, bei den Männern sind es oft Millionen; die Red.).
Wie reagieren Sie auf die Vorwürfe, Boxen sei unweiblich und – insbesondere für Frauen – gesundheitsschädlich?
Das ist absoluter Quatsch. Das sagen wahrscheinlich irgendwelche Männer, die Angst um das arme weibliche Geschlecht haben. Wir sind ja so labil. Ich finde Frauenboxen sehr ästhetisch. Natürlich ist das genauso gefährlich wie der Männersport. Allerdings ist es bei den Frauen noch nie zu ernsthaften Verletzungen gekommen.
Hinter dem Frauenboxen steht das Bild der starken, aggressiven und erfolgreichen Frau. Wie paßt das zu Ihnen, Sie sind ja eher zierlich?
Ich bin – sportlich gesehen – stark, aggressiv und erfolgreich. Das gehört dazu. Klar kann man mal verlieren, aber wenn mir das dreimal hintereinander passiert, bin ich wahrscheinlich weg vom Fenster.
Wie sehen Ihre Pläne aus?
Mindestens für die nächsten fünf Jahre will ich im Profigeschäft bleiben. Ich hoffe, daß das Frauenboxen sich endgültig durchsetzt, die Leistungen und das Niveau höher werden. Vielleicht haben es meine Nachfolgerinnen durch meine Vorarbeiten leichter und erhalten mehr Anerkennung.
Fragen: Sonja Schmitt
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