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Große Anti-Reformkoalition?

■ CDU lehnt Wahlgesetz-Änderung ab, SPD will Wahlkreis-Reform zu ihren Gunsten

Eigentlich, so hatten es Rot und Schwarz 1992 im Schock des gescheiterten großkoalitionären Diäten-Desasters versprochen und Rot-Grau 1993 angekündigt, sollte die laufende Legislaturperiode zu einer großen Rundumreform von Verfassung, Parlament, Verwaltung und Bezirken genutzt werden. Inzwischen zeichnet sich jedoch ab, daß aus den meisten Reformplänen nichts wird.

Als am späten Mittwoch abend der CDU-Landesausschuß mit satter Zwei-Drittel-Mehrheit die Einführung von Wahlkreisen ablehnte, stürzte ein wichtiger Eckpfeiler des gesamten Reformpaktes in sich zusammen. Zwar wird die CDU für die Änderung des Wahlgesetzes nicht gebraucht – hier reicht die einfache Mehrheit in der Bürgerschaft –, doch ist es überaus fraglich, ob die SPD die gestrige Drohung ihres Landeschefs Jörg Kuhbier wahrmacht, eventuell auch mit GAL und Statt Partei die CDU zu überstimmen.

Der Grund: Für eine Verfassungsänderung in Sachen Bürgermeisterrechte (die Richtlinienkompetenz und das Recht, Senatoren zu berufen und zu entlassen) braucht die SPD die CDU. So spekulierte CDU-Chef Dirk Fischer gestern leutselig: „Das Ding mit den Wahlkreisen können wir doch aus dem Reformpaket herausnehmen.“ Einziger Grund für das CDU-Nein zur Einführung von Wahlkreisen, die eigentlich den großen Parteien nutzen: Die Hamburger Christunierten haben Bammel vor einer Professionalisierung des Parlaments. Wahlkreisabgeordnete ständen unter erheblichem Druck, im Parlament auch mal Arbeitsleistung abzuliefern.

Wenn CDU-Landeschef Dirk Fischer vom Charme des Hamburger Landesparlaments schwärmt, das berufstätigen Bürgern das Politikmachen erlaube, dann treibt ihn, wie Insider berichten, vor allem die Sorge, bei einem echten Wahlkreis- und Profiparlament noch genügend vorzeigbare Kandidaten zusammenzubekommen.

Klammheimliche SPD-Befürworter einer Großen Koalition nach der nächsten Bürgerschaftswahl warnen davor, die CDU gerade an diesem Punkt zu verprellen. Dabei hatte sich die SPD ihr Wahlkreispaket sorgsam auf den gebeutelten Leib geschneidert: Die Konstruktion aus 57 Wahlkreisen, einigen Überhangmandaten, Feierabendparlament und Ein-Stimmen-Wahlrecht sollte selbst bei weiter sinkenden Wählerprozenten die Abgeordnetenquote überproportional hochhalten.

Widersprüchlich-bescheiden sieht es auch bei anderen Eckpunkten des einstigen Reformansatzes aus. Die Verwaltungsreform bleibt ein Torso: Hamburgs Behörden bleiben trotz ihrer Bemühungen um Modernisierung (“Neues Steuerungsmodell“, Budgetierung) Mammutapparate, welche die Funktionen von Ministerien und Aufgabenverwaltung ineffizient vermengen. Die Bezirksverwaltungsreform, die Hamburgs Behörden zu schlanken Ministerien veredeln helfen sollte, ist im Streit zwischen Voscheraus Zentralisierungsbemühungen und den zögerlichen Versuchen von Justizsenator Wolfgang Hoffmann-Riem, vom Reformansatz wenigstens ein bißchen zu retten, zur Kooperationskrise entartet.

In Sachen Verfassungsreform gibt es immerhin kleine Lichtblicke: Mit der Einführung einer „Volksgesetzgebung“ pirscht sich Hamburg von hinten und unten an anderswo in Deutschland längst etablierte Standards an. Mit einem breiten Ausschlußkatalog von Themen, die Gegenstand volksbegehrlicher Beschlußfassung werden dürfen, darunter etwa „kommunale Angelegenheiten“ und Haushaltsfragen, sowie hohen Zustimmungsquoren in den einzelnen Etappen von Volksinitiative haben sich CDU und SPD allerdings auf derart hohe Hürden geeinigt, daß skeptische Beobachter zweifeln, ob es in Hamburg wirklich zu Volksentscheiden kommen wird.

Florian Marten

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