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„Wer besticht, wird bestraft“

■ Harte Strafe für Pakistani, der einem Mitarbeiter der Ausländerbehörde „Umverteilungsentscheide“ abkaufte Von Kaija Kutter

Gestern wurde wieder ein Teilchen des im August 1993 aufgedeckten Korruptionsskandals in der Ausländerbehörde erhellt. Vor dem Amtsgericht stand kein Beamter, sondern der Pakistani Mohmood Z. (34), der Bestechung eines Sachbearbeiters angeklagt. Das Urteil fiel mit 22 Monaten Bewährungsstrafe mehr als dreimal so hart aus wie das für den ersten von 23 Behördenmitarbeitern, gegen die die Staatsanwaltschaft Ermittlungen durchführt. Der bekam im Herbst sechs Monate auf Bewährung.

Das Urteil solle auch „Abschreckung für andere sein“, damit klar werde, „wer besticht, wird bestraft“, sagte Amtsrichter Klaus-Ulrich Tempke, der den Angeklagten fortwährend mit seinen Vorstellungen anderer Kulturen traktierte: „In Ihrem ursprünglichen Lebensort soll Bakschisch sehr verbreitet sein.“ Nein, erwiderte der Angeklagte, auch in seinem Heimatland werde Bestechung bestraft. Darauf der Richter: „Das sind ja rechtsstaatliche Sitten.“

Laut Ausländergesetz dürfen Asylbewerber ihren Wohnort in Deutschland nicht frei wählen. Der Sachbearbeiter Walter K. (53), dem demnächst ein Prozeß bevorsteht, hatte über die Anträge von Menschen zu entscheiden, die aus Härtefallgründen nach Hamburg „umverteilt“ werden wollten. 14mal, so gestand Mohmood Z., hatte er von K. für pakistanische und afghanische Bekannte das begehrte Dokument erhalten. Zunächst für 500, später auch für 1000 bis 1500 Mark. „Ich dachte zuerst, das wären Gebühren“, erklärte er dem Richter, der ihm dies nicht abnahm: „Dafür gibt's doch Marken.“

Kennengelernt habe er Walter K. bereits 1987. Als Hausmeister eines Hotels, in dem viele Asylbewerber wohnen, sei er häufig als Dolmetscher mit zur Behörde gekommen. Mohmood: „Er war ein Freund.“ Als Geschenke wollte er auch den Herrenanzug, Obst und eine Flasche Whisky verstanden wissen, die er K. zukommen ließ.

Harte D-Mark gab er ihm erstmals, als er einen kranken Freund begleitete, der nicht in der Schlange vor der Amsinckstraße warten konnte. „Ich habe K. gefragt, ob er helfen kann. Da hat er gesagt, das kostet 50 Mark.“ Später dann habe er zwei Landsleuten geholfen, die bei der örtlichen Gemeinde ihre Umverteilung beantragt hatten, weil sie „Schläge von Neonazis fürchteten“. Da sie sechs Monate lang nichts aus Hamburg hörten, habe er bei Sachbearbeiter K. nachgefragt, der 500 Mark für die Bearbeitung verlangte. Mohmood Z: „Die Asylbewerber haben das Geld dann gesammelt.“ Wenn die Leute in Hamburg ankamen, hätten sie Z. „Dankeschön“ gesagt und manchmal 100 oder 50 Mark gegeben.

In einem Punkt widersprach der gestern als Zeuge angehörte Ex-Sachbearbeiter: Nicht er habe Geld gefordert, sondern es umgekehrt angeboten bekommen. Allerdings habe er in Geldnöten gesteckt und gleichzeitig von 5000 bis 6000 Mark gehört, die andere Kollegen für Umverteilungsbescheide kassierten: „Es war verlockend, davon etwas abzubekommen“.

Die Höhe der Strafe, zu der 2000 Mark Buße hinzukommen, kommt zustande, weil Richter und Staatsanwalt die 14 Fälle als Einzeltaten werteten und die Argumentation des Verteidigers, es bestehe ein „Fortsetzungszusammenhang“, nicht berücksichtigten. Der Rechtsanwalt hielt seinem Mandanten zugute, daß er Menschen geholfen habe, ein „sehr brutales Gesetz“ zu umgehen. Laut Ausländerrecht werden nicht mal Brüder, Onkel oder erwachsene Kinder als Grund für einen Ortswechsel akzeptiert.

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