piwik no script img

Moralisches Generationenbeben

■ Mrozeks „Tango“ und Albees „Drei große Frauen“: zwei Stücke bösen Miteinanders

„Drei große Frauen“ im Theater im Zimmer

Drei Frauen stundenlang in einem Raum? Das kann ja nicht gut gehen! Da muß es Gezeter und Böses zuhauf geben – zumindest im Theater, vor allem, wenn selbiges männlichem Hirn entstammt; so auch hier, wo eine manneslastige Mannschaft inszeniert hat.

Das vor wenigen Jahren uraufgeführte Drei große Frauen gehört nicht zu den bekanntesten Dramen von Edward Albee, und der Grund hierfür wird auch im Theater im Zimmer deutlich, wo es seit Donnerstag gegeben wird. Die Ausgangssituation ist noch erquicklich: Eine alte, kranke Frau A prahlt mit tollen Taten, vergißt, wiederholt sich, quengelt. Eine mittelalte Frau B und eine junge C müssen zuhören, weil sie damit ihr Geld verdienen. B ist Pflegerin, C arbeitet für As Anwalt. Schön doof-naiv spielt Patricia Beck die C, herrlich hinterhältig gibt sich Karin Rasenack als B, und Elke Twiesselmann führt glänzend ihren Monolog.

Schließlich kriegt A einen Schlaganfall und das Publikum Pause, worüber es dann doch froh ist, denn die Alt-nervt-Jung-Idee hat Albee zu kräftig mit dem Nudelholz bearbeitet. Später wird's wild: Das A-B-C versammelt sich am Sterbebett der alten A, repräsentiert und diskutiert deren drei Lebensphasen. Leider ist auch dieser Teig bald schlabberig, da helfen keine schauspielerischen Verzierungsünste.

Biographisch-Familiäres hat Edward Albee hier verarbeitet – er dachte bei den Drei großen Frauen an die eigene Mutter. Die generationsübergreifende Übersetzung von Martin und Alissa Walser ist pfiffig, täuscht aber nicht darüber hinweg, daß der Kenner zwischenmenschlicher Fiesitäten sich vollkommen verrannt hat. Auch Regisseur Christoph Roethel weiß keine rechte Lösung – außer Gezeter eben, Selbstmitleid und Hinnahme. Hätte er den Text gekürzt und die drei Hochgewachsenen ein wenig zueinander finden lassen – das Stück wäre bekömmlicher. nele

Jetzt im Spielplan des Theaters im Zimmer

„Tango“ in der Musikhochschule

Leere Flaschen bilden kleine Inseln im Wohnzimmer. Einen launigen Strip-Poker im wohlstandsverwahrlosten Heim beendet bald der junge Artur. Er setzt die Oma wieder auf den Sarg, auf daß sie über die Vergänglichkeit nachdenke, und Onkel Eugen kriegt den Vogelbauer zwecks erhöhter Reflexion übergestülpt. Denn Artur hat der Zügellosigkeit, die in seinem Elternhaus herrscht, den Kampf angesagt, was ihn in seiner zunächst so toleranten Familie am Ende doch das Leben kosten wird. Das Verhältnis von Ordnung und Anarchie, den Generationenkonflikt und das Verschwinden allgemeingesellschaftlicher Werte spiegelt Slawomir Mrozek in Tango.

Als Diplomaufführung zeigt die Abschlußklasse Schauspiel der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst (HfM) nun die Groteske von 1965 in Zusammenarbeit mit den Studiengängen Komposition, Jazz und Kulturmanagement. In der Regie von Maike Krause und Pjotr Olev gestalten die drei Miminnen und vier Mimen eine grausam-familiäre Gemütlichkeit, die an die Addams Family und die Bundys erinnert. In Einzelszenen meist überzeugender als in der Gruppe, schlägt sich das Ensemble wacker mit dem Grundproblem fast jeder Schulaufführung: Oma, Onkel, Vater, Mutter, Nichte und Kind sind offensichtlich gleich alt, was die Inszenierung selbstbewußt zu ignorieren sucht. Die Premiere wurde jedenfalls mit anerkennendem bis geradezu begeistertem Applaus belohnt. jkn

Heute, vom 16. bis 20.4., am 23. und 24.4, 20 Uhr, Forum der HfM

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen