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Plötzlich fordern alle Aufklärung

■ Nach dem Ende des Bremer Vulkan Verbunds wird nun der Schwarze Peter verteilt - derzeit hält ihn der Vorstand der ehemals größten deutschen Werft. Einige Aufsichtsräte stehen im Interessenkonflikt

Berlin (taz/dpa/AP/rtr) – Jahrelang haben beim Vulkan alle potentiellen Kontrolleure die Augen zugekniffen: das Land Bremen, die Treuhand und ihre Nachfolgerin BvS, die beteiligten Banken und der Aufsichtsrat samt seinen Gewerkschaftsmitgliedern. Nach der unabwendbaren Pleite setzt nun das Spurenverwischen mit heftigem Tagen, öffentlicher Kritik und harten Forderungen ein.

Im Bundesfinanzministerium hat am Freitag vormittag ein „Spitzengespräch“ über die Absicherung der abgekoppelten Ostbetriebe begonnen. Unter Leitung von Ministerpräsident Berndt Seite (CDU) will eine Delegation Mecklenburg-Vorpommerns die Lastenverteilung zwischen Bund und Land nachverhandeln. Schließlich sei in Bremen unverantwortlich gehandelt worden und nicht in Mecklenburg-Vorpommern, so Wirtschaftsminster Harald Ringstorff (SPD). Der Bund als Subventionsgeber trage die Verantwortung für den Mißbrauch der Gelder, betonte er.

Bei Vulkan selbst bleiben nur die drei Werften in Bremen, zwei in Lübeck und Wilhelmshaven sowie die STN Atlas Elektronik. Die angeschlagene Maschinenbautochter Dörries Scharmann in Mönchengladbach soll ausgegliedert werden. Einzelheiten über Zukunftskonzepte für einzelne Werksteile waren von Konzernchef Udo Wagner nicht zu erhalten. Die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat forderten eine „lückenlose Aufklärung des wirtschaftlichen Verfalls des Konzerns“. Nach den positiven Berichten der Wirtschaftsprüfer von Anfang letzten Jahres könne die negative Entwicklung im Werftenverbund erst im letzten Sommer begonnen haben, so der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende und Chef der IG Metall Küste, Frank Teichmüller. Nach Presseberichten und den Aussagen von ausscheidenden Aufsichtsratsmitgliedern war jedoch schon ab 1993 der drohende Untergang des Wertenverbundes öffentlich.

Auch die Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz strebt nun eine Sonderprüfung des Unternehmens an. Diese bundesweite Vereinigung unter Vorsitz von Otto Graf Lambsdorff (FDP) will die Interessen der kleineren Aktionäre vertreten. Unklar ist, weshalb sie das nicht schon seit Jahren tut: Der Vorsitzende ihres Bremer Landesverbandes, Rechtsanwalt Hans- Jürgen Nölle, sitzt seit langem im Aufsichtsrat von Vulkan.

Der Bundestagsabgeordnete Rolf Kutzmutz (PDS) wies auf mögliche Interessenkonflikte bei einigen Aufsichtsräten hin. Schließlich sei Bernd Voss für die Dresdner Bank zugleich im Kontrollgremium des Vulkan Verbunds und der Preussag. Die Preussag-Tochter Howaldtswerke Deutsche Werft (HDW) in Kiel ist jedoch ein Konkurrenzunternehmen des Vulkan.

Genauso ins Grübeln könnte auch der Bremer Anwalt Joachim Theye kommen. Er sitzt nicht nur als Vertrauter des Großaktionärs und Filmhändlers Leo Kirch bei der Axel-Springer-AG im Aufsichtsrat, sondern auch in den gleichen Gremien beim Vulkan Verbund und bei der Deutschen Babcock. Babcock als Maschinenbaukonzern wiederum konkurriert auf einigen Geschäfstsfeldern mit der Dörries Scharmann. Diese Überschneidungen sind allerdings nach dem derzeitigen Aktiengesetz nicht verboten. rem

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