: „Das Problem ist der Werkstoff PVC“
■ Interview über Rauchentwicklungen und toxische Gase beim Flughafenbrand
Roland Fendler ist Sicherungsexperte für industrielle Anlagen am Öko-Institut in Darmstadt.
taz: Gab es aus Ihrer Sicht Sicherheitsmängel im Düsseldorfer Rhein-Ruhr-Flughafen?
Roland Fendler: Das Problem ist sicherlich der Werkstoff PVC der Kabelummantelungen, auch wenn Brandschutzexperten sagen, daß dieses Material brandschutztechnisch gesehen ein guter Werkstoff ist. Die Leute haben scheinbar übersehen, daß, wenn PVC einmal brennt, es kein so guter Baustoff ist. Eben nicht nur deshalb, weil es Kohlenmonoxyd bildet, sondern auch Chlorkohlenwasserstoff.
Hat es ähnlich verlaufende Brände gegeben, bei denen sich die Flammen und der Rauch in sekundenschnelle aufgrund des Baumaterials ausgebreitet haben?
Ja, denken Sie nur an die Londoner U-Bahn-Katastrophe. Dort gab es eine Entzündung an einer Rolltreppe im U-Bahnschacht. Durch die Thermik im Schacht hat sich das Feuer und der Rauch sehr schnell ausgebreitet. Damals wurden die meisten Menschen Opfer der giftigen Rauchgasentwicklung.
Auch in Düsseldorf sagte die Feuerwehreinsatzleitung, daß der toxische Qualm viel gefährlicher als die Flammen gewesen sei.
Das ist unter Feuerwehrleuten kein Geheimnis. Wenn man genauere Nachforschungen machen würde, käme heraus, daß bei Bränden mehr Menschen durch giftige Rauchgaseinwirkungen als durch die direkte Brandwirkung umkommen. Deshalb ist es immer wieder die Frage, welches ist der optimale Baustoff. Die einen sagen, nehmt Stoffe, die sich erst bei sehr hohen Temperaturen entzünden. Die anderen sagen, nehmt Baustoffe, die sich auch bei niedrigeren Temperaturen entzünden, die, wenn sie dann brennen, aber wenigstens keine toxischen Gase entwickeln.
Als der Brand entdeckt wurde, hat man nicht sofort geräumt. Auch hat die Flughafenfeuerwehr die Berufsfeuerwehr in Düsseldorf erst 30 Minuten später alarmiert. Haben die Verantwortlichen den Brand zunächst unterschätzt?
Im Prinzip kann man dazu nur etwas sagen aufgrund verifizierter Untersuchungsergebnisse, aber eine Feuerwehr, die in einem solchen Brandfall in einem öffentlichen Gebäude nicht sofort räumt, hat irgendwie ihre Grundbegriffe von Einsatztaktik nicht begriffen. Der erste Grundsatz ist nunmal, Personengefährdung zu vermeiden. Interview: Petra Welzel
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