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Bosnien-Geberkonferenz findet ohne Serben statt

■ Uneinigkeit über Konsequenzen für die „Republika Srpska“. Bedürfnisse ganz Bosniens sollen berücksichtigt werden. Spendenziel wird vermutlich nicht erreicht

Brüssel (taz) – In Abwesenheit der bosnischen Serben hat gestern in Brüssel die zweite Geberkonferenz für Bosnien begonnen. Serbenführer Radovan Karadžić hatte den Boykott der Konferenz durchgesetzt, weil der „Republika Srpska“ die verlangte eigenständige Delegation außerhalb der gemeinsamen Delegation Bosnien- Herzegowinas verweigert wurde.

Welche Folgen das Verhalten der Pale-Führung für die Finanzierung von Wiederaufbauprojekten in der „Republika Srpska“ haben soll, war unter den Geberstaaten zunächst noch umstritten. Der internationale Bosnienbeauftragte Carl Bildt übte scharfe Kritik an der Weigerung der bosnischen Serben, an der Konferenz teilzunehmen. Mitglieder der US-Delegation in Brüssel erklärten, die Serben sollten zunächst keinerlei Unterstützung erhalten. Zumindest bei bilateralen Hilfsprojekten will Washington nach diesem Grundsatz verfahren. Vertreter der Weltbank, Deutschlands und anderer EU-Staaten hielten dem entgegen, die Wiederaufbauhilfe müsse dem „Gesamtstaat“ Bosnien-Herzegowina und allen seinen Bevölkerungsgruppen zugute kommen.

Diskutiert wurde in diesem Zusammenhang, ob im heutigen Abschlußkommuniqué der Konferenz spezifische Bedingungen für den Erhalt von Wiederaufbauhilfe formuliert werden sollen, die über die allgemeine Formel „Erfüllung des Dayton-Abkommens“ hinausgehen – zum Beispiel die Auslieferung aller vom Internationalen Kriegsverbrechertribunal in Den Haag angeklagten Personen, die Gewährung voller Medienfreiheit oder die Aufhebung der noch existierenden Straßensperren.

Vorrang bei den Hilfsmaßnahmen hätten neben dem Wiederaufbau von Straßen, Schulen, der Telekommunikation sowie der Wasser- und Elektrizitätsversorgung zunächst Beschäftigungs-und Minenräumprogramme, erklärten Sprecher der Weltbank, die die Konferenz gemeinsam mit der EU-Kommission ausrichtet. Den Betrag zur Räumung der Minen beziffert die Weltbank auf 70 Millionen US-Dollar.

Bis zum Ende der Konferenz hoffen die Organisatoren auf verbindliche Finanzzusagen in Höhe von insgesamt 1,2 Milliarden US- Dollar für das Jahr 1996. Der erste Konferenztag lieferte wenig Anzeichen, daß dieses Ziel erreicht wird. Die USA und Japan bekräftigten, daß sie für 1996 lediglich 200 Millionen beziehungsweise 125 Millionen Dollar zur Verfügung stellen wollen. Die auf der ersten Geberkonferenz geführte Diskussion über eine Drittelung der finanziellen Lasten für den Wiederaufbau Bosniens zwischen der EU, Nordamerika sowie Japan und den islamischen Staaten ist damit endgültig vom Tisch.

Vertreter von EU-Regierungen wollten gestern Meldungen von Mitte der Woche nicht bestätigen, wonach die EU-Kommission für 1996 500 Millionen Dollar beisteuern wolle. Ein Sprecher der Konferenz islamischer Staaten kündigte für den heutigen Samstag die Bekanntgabe einer konkreten Spendensumme an. Andreas Zumach

Kommentar Seite 10

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