: „Schluß mit der Kameraderie der Mittelmäßigkeit!“
■ Umstritten: Modellversuch zur Finanzautonomie der Uni Oldenburg / Leistungsmessung bei Hochschullehrern
Vorbei sind die Zeiten, in denen Hochschulleher beim jährlichen Clinch um ihren Etat mit dem „tradierten Schlüssel“ argumentieren können. Leistung soll künftig das entscheidende Kriterium bei der Mittelvergabe sein. Zumindest an der Carl von Ossietzky-Universität in Oldenburg. Sie ist eine von drei niedersächsischen Hochschulen, an denen seit einem Jahr der „Modellversuch Globalhaushalt“ läuft. „Wir werden uns wie ein Wirtschaftsbetrieb, aber eben nicht als gewinnorientiertes Unternehmen verhalten müssen,“ meint Uni-Präsident Michael Daxner.
Durch eine eigene Buchführung können die Fachbereiche intern festlegen, wofür sie die Mittel, die die Landesregierung zur Verfügung stellt, ausgeben. „Finanzielle Autonomie,“ so Prof. Detlef Müller-Böling, Leiter des Centrum für Hochschulentwicklung (CHE), „ist ein sehr großer Schritt für eine deutsche Hochschule.“ Das CHE hilft als Unternehmensberater der Uni Oldenburg bei der betriebswirtschaftlichen Buchführung. Beratung ist vonnöten, denn es ist eine gewaltige Umstellung der Denkweise von Hochschullehrern notwendig: Sie müssen rechnen lernen. Früher war nur dafür zu sorgen, daß die Landesregierung die beantragten Mittel bewilligt. Danach brauchte niemand mehr Rechenschaft darüber abzulegen, ob die Mittel sinnvoll verwendet wurden. „Der Globalhaushalt sorgt dafür, daß jeder Hochschullehrer anfangen muß, selbstverantwortlich mit den Mitteln umzugehen,“ meint Müller-Böling. Sind die Mittel vorzeitig aufgebraucht, gibt es keinen Nachschlag mehr.
Doch um Rechenschaft ablegen zu können, was aus dem Geld geworden ist, müssen Kriterien für die Bewertung erbrachter Leistungen der einzelnen Studiengänge und Hochschullehrer ermittelt werden. Den Output einer Uni zu bemessen, ist schwieriger als bei Wirtschaftsunternehmen.
Sogennannte „Leistungsindikatoren“ sollen dabei helfen. Ein möglicher Indikator ist die Absolventenzahl. Doch Müller-Böling schränkt ein: „Die reine Tonnenideologie, wie sie vor einigen Jahren in Nordrhein-Westfalen gepredigt wurde, hilft nicht weiter.“ Damals bekamen die Universitäten die Mittel nach der Anzahl der Absolventen bewilligt. Ergebnis war ein Schmalspurstudium. Der Entwicklungsplaner findet es wichtiger, wie sich eine Universität um ihre Studierenden kümmert. „Das kann auch bedeuten, daß sie frühzeitig mitteilt, daß das Weiterstudieren eines bestimmten Faches nicht zu empfehlen ist.“
Schwieriger noch ist die Bewertung der Qualität von Forschung: Wie zum Beispiel ließe sich der geniale Einfall in der Badewanne oder auf dem Spaziergang erfassen? Ein Ansatz: Die Anzahl der Publikationen in Fachzeitschriften oder die Messung der Häufigkeit, mit denen ein Wissenschaftler zitiert wird. Die bibliometrische Messung mache allerdings nur dann Sinn, wenn die Qualität der Zeitschrift mitberücksichtigt wird. Sonst wird Vielschreiberei belohnt.
Kritiker sehen durch solche Messungen die wissenschaftliche Kreativität gefährdet. Horst Kurt Schminke, Professor für Biologie in Oldenburg: „Mit solchen buchhalterischen Methoden kann man die Wissenschaft aus der Universität austreiben.“ Er befürchtet, daß die Universitäten zu besseren Berufsfachschulen mutieren, wenn solche Evaluationsmethoden Schule machen. Nicht in der Forschung, sieht er das Geld versickern, sondern in den aufgeschwemmten Entscheidungsstrukturen.
Doch von einem besonderen Schutz der „wissenschaftlichen Kreativität“ vor Kontrolle hält Präsident Daxner wenig: „Es ist an der Zeit, daß die Universitäten sich einem internen Controlling unterziehen, sonst können sie in Zukunft ihre Ansprüche an die Gesellschaft nicht mehr legitimieren.“ Das bedeute auch, Abschied von der Fiktion zu nehmen, daß man an allen Universitäten alles gleich gut studieren könnte. Durch die Einführung von Indikatoren werde sich zeigen, welche Universität wirklich wofür gut ist. Interne Konkurrenz führt nach Daxner zu neuem Leistungsbewußtsein. „Die Kameraderie der Mittelmäßigkeit muß ein Ende haben!“
Volker Siefert
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