Milliardenspritze für Bosnien perfekt

Geberkonferenz in Brüssel stellt für den Wiederaufbau rund 1,8 Milliarden Dollar zur Verfügung. EU und Weltbank werfen Karadžić-Serben mangelnde Kooperation vor  ■ Aus Brüssel Andreas Zumach

Die Brüsseler Geberkonferenz für den Wiederaufbau Bosniens hat ihr Ziel von 1,2 Milliarden US- Dollar Hilfszusagen für 1996 nach Angaben ihrer Veranstalter sogar noch leicht übertroffen. Vertreter von Weltbank und EU-Kommission erklärten zum Abschluß der zweitägigen Konferenz am Samstag nachmittag, insgesamt hätten die teilnehmenden 55 Staaten und 29 Organisationen 1,23 Milliarden Dollar versprochen. Mit den auf einer ersten Geberkonferenz im Dezember zugesagten 600 Millionen Dollar ständen damit im Jahre 1996 1,83 Milliarden Dollar für den Wiederaufbau zur Verfügung. Für den Zeitraum bis Ende 1999 halten Weltbank und EU-Kommission Finanzmittel von mindestens 5,1 Milliarden Dollar für erforderlich.

Unklar blieb zunächst, wie die in Brüssel verkündete Summe zustande kommt, wie verbindlich ein Teil der neuen Zusagen ist und ob einige der in Brüssel genannten Beträge nicht doppelt aufgeführt wurden. Denn Hilfen sollen sowohl direkt von Einzelstaaten oder Staatengruppen nach Bosnien- Herzegowina fließen als auch indirekt über die Weltbank oder die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD). Doch die von den beiden Banken zugesagten Gelder kommen nicht aus Eigenmitteln, sondern müssen erst von ihren jeweiligen Mitgliedsstaaten aufgebracht werden.

Nach offiziellen Angaben in Brüssel versprach die EU-Kommission für 1996 insgesamt 370 Millionen Dollar. Die USA sagten 282 Millionen Dollar zu. US-Vertreter machten deutlich, daß bis 1999 nicht mehr als 600 Millionen Dollar zur Verfügung gestellt würden. Japan will in diesem Jahr 130 Millionen der bis 1999 in Aussicht gestellten 500 Millionen Dollar zur Verfügung stellen. Die Organisation der islamischen Staaten (OIC) versprach auf der Konferenz 100 Millionen Dollar.

Die Bundesregierung stellte über ihren festgelegten Anteil von 28,8 Prozent an den Geldern aus der Kasse der EU-Kommission (106,5 von 370 Millionen Dollar) hinaus keine bilateralen Finanzmittel in Aussicht. Begründet wurde dies mit den auf 3,4 Milliarden Mark jährlich bezifferten Ausgaben für die 320.000 bosnischen Flüchtlinge in Deutschland sowie mit der von Finanzminister Theo Waigel verhängten Bonner Haushaltssperre. Insgesamt ergeben die seit Dezember letzten Jahres erfolgten Hilfsversprechen der EU- Kommission, der USA, Japans, der islamischen Staaten sowie anderer Länder und Organisationen für 1996 lediglich die Summe von 1,25 Milliarden Dollar. Dazu kommen Zusagen der Weltbank von 310 Millionen und der Europäischen Bank für Wiederaufbau von 416 Millionen.

Entsprechend dem Grad der Zerstörung sowie der Bevölkerungsstärke sollen die Gelder nach Vorstellung der Weltbank etwa im Verhältnis von 7:3 auf die muslimisch-kroatische Föderation und die serbische Teilrepublik verteilt werden. Von den bis Ende 1999 avisierten 5,1 Milliarden Dollar kämen danach 3,7 Milliarden der Föderation und 1,4 der serbischen Teilrepublik zugute. Vertreter von Weltbank und EU widersprachen in Brüssel der Behauptung von Serbenführer Radovan Karadžić über einen Ausschluß der Serben sowohl von der Geberkonferenz wie von künftigen Hilfsmaßnahmen. Die Planungen für Wiederaufbauprojekte in der serbischen Teilrepublik liefen genauso intensiv wie für Projekte in der Föderation. Die Umsetzung werde bislang aber durch die mangelnde Kooperation der Führung in Pale verhindert oder zumindest erheblich verzögert. US-Vertreter erklärten in Brüssel, Washington werde solange keine Mittel für Projekte in der serbischen Teilrepublik bereitstellen, wie Karadžić und andere als Kriegsverbrecher angeklagte Personen nicht an das Internationale Tribunal in Den Haag ausgeliefert würden.

Vorrang sollen in diesem Jahr der Wiederaufbau der Infrastruktur im Versorgungs-und Verkehrsbereich sowie der Landwirtschaft und die Minenräumung haben. Vertreter der Weltbank plädierten für eine stärkere Unterstützung von Sozial- und Ausbildungsprojekten. Ähnliche Forderungen erhoben am Wochenende Vertreterinnen von „Medica“. Die Notwendigkeit psychosozialer und medizinischer Betreuung kriegstraumatisierter Mädchen, Frauen und ihrer Kinder bleibe nach dem Dayton-Abkommen bestehen.