: Schrumpfkopf zieht um
■ Breites SPD-Kiez-Filz-Bündnis kämpft für Harrys Hafenbasar, den eine Mieterhöhung aus seinen Kellergewölben treibt Von Ulrike Winkelmann
Auf dem Tresen sammeln sich schon die Unterschriftenlisten: Eigentlich sind alle dagegen, daß Harrys Hamburger Hafenbasar – laut Eigenwerbung der größte seiner Art auf der Welt – aus der Bernhard-Nocht-Straße ausziehen muß.
10.000 Mark statt wie bisher 4 600 Mark Miete will der Eigentümer des Hauses, Kiez-Immobilien-Prinz Claus Becker, von Harry Rosenberg (71) und dessen Tochter Karin (37) für die 800 Quadratmeter Geschäftsfläche künftig haben. Unzahlbar, sagt Karin Rosenberg und vermutet, „daß Becker unseren Ruf ausnutzen und hier selbst einen Basar eröffnen will. Die Touristen merken ja nicht, wer hier drin sitzt.“
Ganz oben auf der Solidaritäts-Unterschriftenliste steht Ingo Kleist, SPD-Fraktions-Vize. Der passionierte Kleingärtner und populistische St.-Pauli-Tümeler hat in den vergangenen Tagen seine SPD-Beziehungen aktiviert, um neue Räume für Harrys Hafenbasar aufzutun. Klar wäre es schön, wenn der Basar genau so erhalten bleiben könnte, wie er ist, aber das sei nun einmal eine Geschäftsangelegenheit von Becker. „Auf den hat niemand in der Stadt Einfluß“, und juristisch sei gegen ihn nichts zu unternehmen.
Rolf Miller, Leiter des Bezirksamts Mitte, hängt sich ebenfalls für die vor 41 Jahren eröffnete Ur-Hamburgensie aus dem Fenster. Er habe auch schon bei städtischen Vermietern vorgefühlt, aber die ersten „positiven Signale“ seien aus privatwirtschaftlicher Ecke gekommen. Die Ecke heißt in diesem wie in vielen anderen Fällen Willi Bartels, Kiez-Immobilien-König und Widersacher von Claus Becker. „Überhöht“, urteilt er über die Miete, die Becker von den Rosenbergs haben will, „das sind keine Keller-, das sind Kriechräume.“ Heute finden unter seiner Ägide Verhandlungen mit einem Kneipier vom Hans-Albers-Platz statt, der einige Hundert Quadratmeter in Räumlichkeiten an der Reeperbahn zur Verfügung stellen könnte. Auch eine große Brauerei hat offenbar Räume frei und bereits ein Gesprächsangebot gemacht.
Harry Rosenberg kann sich über all die Zuwendung jedoch nicht übermäßig freuen: „Der Basar wird nie wieder, wie er war.“ Schon vor fünf Jahren, als Becker begann, halb St. Pauli Süd aufzukaufen, hatte er Rosenbergs zunächst gekündigt, um ihnen dann die Hälfte der Räumlichkeiten zum doppelten Preis anzubieten.
Seitdem verteilen sich Tausende von afrikanischen Holzmasken, Armeen von Holzstatuen, -fetischen und -marionetten auf 26 Räumchen und Nischen in den feuchten Kellergewölben. Seit einigen Jahren nehmen Rosenbergs auch Eintritt für den Basar. Das bekannteste Stück ist der Schrumpfkopf, der allerdings im Tresor liegt und nur noch auf einer Postkarte zu bewundern ist. Rund die Hälfte der Gegenstände, so Karin Rosenberg, „kaufen wir von mittlerweile hauptsächlich ausländischen Seeleuten auf“. Der Rest werde importiert oder stamme aus Sammlungen und Ladenabkäufen.
„Er hat gesagt, er wolle mit den Räumen endlich Geld verdienen“, berichtet Karin Rosenberg von ihrem letzten Gespräch mit Claus Becker, der laut Auskünften aus seinem „Erotic Art Museum“ derzeit auf Mallorca weilt und keine Stellungnahme abgeben will.
„Was soll er auch sagen“, winkt Volker Nienstedt von der GAL-Mitte ab. Geschäft ist Geschäft – „aber Ingo Kleist könnte Becker ja anbieten, daß er endlich der SPD beitreten darf, wenn er sozialdemokratisches Bewußtsein beweist und die Miete nicht anhebt.“ Becker ist mit seiner Klage, endlich in die SPD aufgenommen zu werden, inzwischen bis zum Verfassungsgericht vorgestoßen.
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