Roman, der im Bestand landet

■ Martin Walser stellt seinen neuen Roman „Finks Krieg“ vor

Als die politische Ampel in Hessen im April 1987 von Rot-Grün auf Schwarz-Gelb umsprang, bedeutete dies das Ende der Karriere von Stefan Fink. 18 Jahre lang hatte der Minsterialrat der Staatskanzlei als Verbindungsmann zu den Kirchen gedient, jetzt soll ein anderer seine Stelle ausfüllen. Gegen die Zwangsversetzung, mit der Finks Krieg und damit Martin Walsers gleichnamiger Roman beginnt, wehrt sich der kleinbürgerliche Beamte, „gekleidet nicht ohne Ambition, aber eben doch von Karstadt“, mit allen juristischen und publizistischen Mitteln. Sein Eifer macht ihn (im übertragenen Sinne) blind und läßt ihn als „Michael Kohlhaas zwischen Leitzordnern“ (Abendzeitung) enden.

Mit dem Thema jedenfalls liegt Walser ziemlich im Trend, denn Behörden und Archive haben bei Schriftstellern zur Zeit Konjunktur: Seinen Büroboten Theo Wuttke hatte Günter Grass für Ein weites Feld ins Potsdamer Fontane-Archiv geschickt, und Helmut Krausser, unser junger Münchner Vielschreiber, wählte für Konrad Johanser, den Helden seines neuen Romas Thanatos, das Berliner Institut für Deutsche Romantik als Recherchestelle aus.

Doch allzu groß kann Suhrkamps Vertrauen in die literarische Qualität des Romans nicht gewesen sein, sonst hätte der eher für Diskretion denn für Marktschreierei bekannte Frankfurter Verlag Walsers jüngstes Opus dezenter plaziert, es nicht mit Geheimnistuerei ummantelt, sich nicht die FAZ als Marketingpartnerin gesucht, die, das Werk vorabdruckend, sogleich den peinlich an die Grass-Promotion erinnernden Slogan vom „Roman, der Bestand haben wird“, beisteuerte.

Inzwischen hat sich die Aufregung um das kurzfristig aus der Herbstproduktion vorgezogene Buch gelegt. Neben einigen wohlwollenden Stimmen – so vom überregionalen taz-Kollegen – bekam die dokumentar-literarische Ko-Produktion (Vorbild für Fink ist der Leitende Ministerialrat Rudolf Wirtz; Tronkenburg, Finks Gegenspieler im Roman, ist Alexander Gaulan abgeschaut; Ignatz Bubis und Joschka Fischer hat Walser 1:1 übernommen) seitens der Kritik ziemlich einhellige Ablehnungen: „schwache psychopathische Studie“ (Die Zeit), „literarisches Debakel“ (FR), „keine Spannung, nirgends“ (Die Woche).

Nun geht der 69jährige Autor, der seit mehr als 40 Jahren im Dienste der deutschen Literatur ein gutes halbes Hundert Bücher produziert hat, auf Lesereise und macht dabei selbstverständlich auch in Hamburg Station.

Fred Dachs

Martin Walser: Finks Krieg; Suhrkamp, 310 Seiten, 42 Mark

Lesung: heute, 19.30 Uhr, Thalia-Buchhandlung, Gr. Bleichen 19