: "Parasiten" bauen
■ Gewerkschafter will gegen den "Sud" ausländischer Bauarbeiter vorgehen. IG Bau: Vokabular aus dem 3. Reich
Der Bezirksverband Berlin Süd-West der IG Bauen–Agrar– Umwelt macht in offen rassistischer Manier gegen ausländische Bauarbeiter Front. In einem offenen Brief an den Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) spricht der Geschäftsführer des Bezirksverbands, Klaus Schröder, von illegalen Bauarbeitern, Kontingentarbeitern und EU-Billiglohnarbeitern als einem „Sud“, der „nicht mehr überblickt“ werden könne und der dazu führe, daß „Berliner Bauleute“ zu Arbeitslosengeld- und Sozialhilfeempfängern abgestürzt seien. Durch die „Duldung der Parasiten“ und die „nicht konsequente Anwendung unserer Gesetze“, schlußfolgert Schröder, „ist unsere so mühsam aufgebaute Demokratie in Gefahr“.
In dem Schreiben vom 13. März, das die DGB-Arbeitsgruppe „GewerkschafterInnen gegen Rassismus und Faschismus“ gestern öffentlich machte, heißt es weiter, daß Polizei, Grenzschutz, Zollbehörden und die verantwortlichen Ämter „gebündelt auf dieses ,Krebsgeschwür‘ angesetzt und verpflichtet werden zu helfen, damit unsere Baustellen wieder ,sauber‘ werden. Der Geschäftsführer des Bezirksverbandes der IG Bau fordert Diepgen auf, an die Unternehmer zu appellieren, „die Berliner Bevölkerung wieder einzustellen“. Sein Schreiben endet mit den Worten: „Packen Sie endlich zu, und greifen Sie durch.“
Für die Vertreterin der antirassistischen GewerkschafterInnen, Elke Breitenbach, hätte der Brief der IG-Bau-Organisation auch in einem Flugblatt der Republikaner stehen können. Gerade vor dem Hintergrund der krisenhaften Entwicklung im Bausektor sei es eigentlich selbstverständlich, daß sich eine Gewerkschaft rassistischen Entwicklungen entgegenstelle und diejenigen benenne, die ihre Profite auf Kosten aller Beschäftigten am Bau machten. Für einen Teil der IG Bau, so Breitenbach, scheine dies allerdings nicht zu gelten. Die „GewerkschafterInnen gegen Rassismus und Faschismus“ fordern nun ihrerseits in einem offenen Brief den IG-Bau- Chef Klaus Pankau auf, Stellung zu beziehen. Ein Gewerkschafter, der sich übler rassistischer Stimmungsmache bediene sei für jede Gewerkschaft untragbar.
Gegenüber der taz hat sich gestern der Landessekretär der IG Bau, Wolfgang Selle, von dem rassistischen Schreiben des Bezirksverbandes Süd-West distanziert. „Das ist ein ganz schlimmes Vokabular, so hat man im Dritten Reich gesprochen“, sagte Selle. Arbeitsrechtliche Konsequenzen gegen Schröder habe man aber nicht gezogen. Künftig müßten aber offene Briefe oder Stellungnahmen mit dem Landesverband abgestimmt werden. Uwe Rade
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen