piwik no script img

Funkeln, Blitzen, Orgeln

■ Theater für Kinder: der „Nibelungen“ zweiter Teil

Es lohnt sich, sehr rechtzeitig zu erscheinen, denn die Raumgestaltung im Theater für Kinder ist eine gründliche Besichtigung wert: Der zauberhafte blau-goldene Rhein schlängelt sich durch den ganzen Saal, an seinen Ufern bieten mit Kissen bezogene Steine Sitzgelegenheiten. Von der Decke ranken Blätter, und vorn, auf der Bühne, klafft eine märchenhafte Höhle, die sich später in Drachenmäuler und Wasserfälle verwandelt, während sich unter ihr Schluchten auftun.

Doch nicht nur die Bühnenbildnerin Kathrin Kegler hat bei der kindgerechten Adaption von Richard Wagners Ring des Nibelungen ganze Arbeit geleistet. Nachdem in den vergangenen zwei Monaten Der Raub des Rheingolds auf einer ähnlich bezaubernden Bühne im Theater für Kinder gespielt wurde, gibt es seit Dienstag Siegfrieds Kampf. Angemessen lieblich und leidenschaftlich sind der Text von Barbara Hass und die musikalische Einrichtung von Michael Horwath und Claus Swienty. Doch kriegt auch mal einer „was auf die Fresse“, und die Klänge der Orgel sowie anderer Soloinstrumente – in der Kirche und im Studio für die Aufführung eingespielt – zitieren Wagner behutsam.

Sehr frei nach Siegfried und der Götterdämmerung spielt das Kindertheater mit Siegfrieds dummer Furchtlosigkeit, aber schon Wagner ordnete die alten Sagenstoffe seinen Opernideen ja unbekümmert unter. In funkelnden Kostümen und mit Rauch, Blitz und bunten Lichtern umgeben spielen die acht Darsteller ihre insgesamt zwölf Rollen so überzeugend, wie man es sich in manchem „Erwachsenen“-Theater nur wünschen kann.

Der hauseigenen Tradition entsprechend geht es bei Siegfrieds Kampf nicht darum, aktions- und lehrreiches Mitmachschauspiel zu präsentieren. Stattdessen verlangt das Altonaer Kindertheater vom Publikum stilles Beobachten – der Lohn ist die Entführung in eine phantastische Welt. Zuschauer ab fünf Jahren fühlen sich darin zwei Stunden lang wohl, und manche mögen sich kaum daraus verabschieden. Ein wunderbares Stück für Liebhaber großen Theaters auf kleinen Bühnen – und eine erstklassige Gelegenheit für Theater-Anfänger, ebensolche Leidenschaften zu entwickeln.

Nele-Marie Brüdgam

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen