: Das Weib als Marktsegment
■ Frauenmesse „Femina 96“ eröffnet: Zwischen Kosmetik, Keramik und Kasernenpropaganda einsame Frauenprojekte
Und ein Tusch! Und Tschingdarassabum! Mit Militärmusik wurde gestern im Radisson SAS Hotel in der Karl-Liebknecht-Straße die „Erste Berliner Frauenmesse“ eröffnet. Es spielten die „Lustigen Preußen“, breit lachende Mannsbilder unter fröhlichen Pickelhauben. Die „Märkische Messe GmbH“ gab sich als Veranstalterin jede erdenkliche Mühe, mit der dreitägigen „Femina 96“ deutlich zu machen, daß sie Frauen nur in einer einzigen Weise ernst zu nehmen gedenkt: als Marktsegment.
Die Messe selbst: eine Mischung aus Kosmetik, Keramik und Kasernenpropaganda. Gleich der erste Stand der insgesamt 70 AusstellerInnen führt dem weiblichen Geschlecht den wahren Grund vor, warum es in Politik und Gesellschaft immer noch so wenig repräsentiert wird: Es ist zu unansehnlich. „Haben Sie sich Ihre Figur 96 so vorgestellt? Oder brauchen Sie eine Sofortmaßnahme?“ fragt der „Treffpunkt Diät“. Drei Kosmetikstudios bieten Cremes und Fettnäpfchen jeder Art an, ein Imker seinen Honig, eine Keramikfirma ihr Mokkaservice (nur 5.675 Mark), und die Klinik Sanssouci wirbt mit ihrer „Narben- und Faltenbehandlung, Fettabsaugung, Entfernung von Damenbärtchen“. Verantwortlich für Kasernenpropanda fühlt sich nicht nur der Bundesgrenzschutz, sondern auch die Bundeswehr. Motto der zur Werbung abkommandierten dreiköpfigen Truppe: „Frauen sind willkommen. Zum Beispiel als Sanitätsoffizier, Mannschaftsdienstgrad oder Unteroffizier im Militärmusikdienst.“ Und ein Tusch! Dazwischen, vollkommen verloren, einige wenige Frauenprojekte wie „Wildwasser“, „Stoffbruch“ oder das Frauencomputerzentrum.
Ähnlich das Rahmenprogramm. Für Baller-balla-Fans – und ein Tusch! – gibt es heute um 13 Uhr die Talkrunde „Frauen in der Bundeswehr“, in unfreiwilliger Weise konterkariert von einem Antigewalttraining des bekannten Polizeitrainers Kautz heute um 15 Uhr und der Podiumsdiskussion „Männergewalt – sind wir zu tolerant?“ am Samstag um 12 Uhr. Gleich anschließend: „Modenschau für Mollige“.
Warum überhaupt das Ganze? Eine Pressekonferenz gab Aufschluß. Weil zu nachtschlafender Zeit und an einem unauffindbaren Ort, fanden sich nur wenige JournalistInnen ein. „Ist ja 'ne Frauenmesse“, lachte Dieter Landgraf, Geschäftsführer der Märkischen Messe GmbH, voller Verständnis für das unprofessionelle Organisationschaos. Seine Messefirma habe „Themen gesucht, die in Berlin und Brandenburg neu sind“. Und da sei er bei seinen Marktrecherchen darauf gestoßen, daß „es um Gleichheit geht, auch wenn die Frauen 52 Prozent der Gesellschaft einnehmen“. Die Frauenmesse werde allerdings nur dann wiederholt, wenn sich kommerzieller Erfolg eingestellt habe. Und überhaupt: Sollte die Gleichstellung in Zukunft erreicht sein, werde „Femina“ überflüssig. Tusch! Dieses Ziel hat der Herr Geschäftsführer schon jetzt erreicht. Ute Scheub
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen