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Der Widerstand in Nigeria und das südafrikanische Vorbild: „Südafrika ist so verlockend, daß wir richtig betört werden“

Neidvoll blicken nigerianische Demokraten oft auf den erfolgreichen Kampf des ANC unter Nelson Mandela gegen Südafrikas Apartheid. Südafrika und Nigeria, Afrikas zwei Giganten, werden oft miteinander verglichen. Viele Aktivisten der internationalen Nigeria-Solidarität stammen aus der Anti-Apartheid-Bewegung.

Aber bei näherem Hinsehen überwiegen die Unterschiede: Südafrika während der Apartheid hatte alles, was Nigeria nicht hat, wie jüngst auf einer Konferenz in London deutlich wurde, auf der sich ein Dialog zwischen der südafrikanischen Verfassungsrichterin Yvonne Mokgoro und dem Nigerianer Chidi Odinkalu von der britischen Organisation „Interights“ entwickelte.

Mokgoro betonte, daß ein wesentliches Element des Anti-Apartheid-Kampfes das Beharren auf den Buchstaben des Gesetzes gewesen sei – also die zentrale Rolle der Schauprozesse gegen Bürgerrechtler, die dadurch ermöglichte weltweite Mobilisierung und der unermüdliche Einsatz von Menschenrechtsanwälten vor Gericht und in den Townships. „Die Anwälte in Apartheid-Südafrika glaubten an die Gerichte“, bestätigte auch Mervyn Brangwen von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch: „Man muß so tun, als ob man an die Gerichte glaubt, auch wenn sie nicht richtig funktionieren.“ Daher sei es wichtig, Prozesse gegen Menschenrechtler in Nigeria mit derselben Aufmerksamkeit zu begleiten wie einst in Südafrika. Ferner wurde die Einigkeit der südafrikanischen Opposition hervorgehoben.

„Südafrika ist so verlockend, daß wir manchmal davon richtig betört werden“, entgegnete Chidi Odinkalu. „Aber man muß die Unterschiede sehen. Südafrika war Schwarz gegen Weiß – eine klare Unterscheidung, um die herum es sehr leicht war, zu mobilisieren. Nigeria ist viel schwieriger. Es ist nicht rassistisch, nicht Schwarz gegen Weiß.

Es ist nicht sexistisch, Mann gegen Frau. Es ist Bruder gegen Bruder, Schwester gegen Schwester, Onkel gegen Tante. Es gibt kein Einheitsthema, um das man die Leute mobilisieren kann. Außerdem wurden in Südafrika Gerichtsbeschlüsse immer vollzogen, auch in der dunkelsten Zeit. Man konnte im System arbeiten, weil es ein System gab. In Nigeria gibt es kein System. Es gibt kein Polizeisystem, kein Rechtssystem, kein Zivilgesellschaftssystem.“

Andere Teilnehmer verwiesen darauf, daß Nigeria anders als Südafrika eine ländliche Gesellschaft mit mächtigen traditionellen Autoritäten sei, in der moderne Kommunikationsmittel weder den Großteil der Bevölkerung erreichten noch vom Regime toleriert würden.

Dennoch beharrte die Südafrikanerin Mokgoro auf dem Sinn der Aufklärung. „Sie lassen die Gründe für eine Veränderung richtig hoffnungslos klingen“, entgegnete die Richterin. „Es gibt Wahrheiten, die man den Leuten erzählen kann, um sie zu mobilisieren.“ D.J.

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