piwik no script img

Rattengift nur mit EU-Stempel

■ Biozid-Richtlinie will mehr Gesundheitsschutz. Skandinavisches Niveau wird aber nicht vorgeschrieben

Straßburg (taz) – Ein schönes Beispiel, wie der europäische Binnenmarkt zu mehr Umweltschutz führen könnte: Für Biozide wird derzeit ein einheitliches Genehmigungsverfahren eingeführt, das sich am hohen skandinavischen Niveau orientiert. Biozide sind Schädlingsbekämpfungsmittel, die außerhalb der Landwirtschaft eingesetzt werden. Gestern verspielte jedoch das Europäische Parlament die Chance, mit der geplanten Richtlinie die nordeuropäischen Vorbilder zum verbindlichen Maßstab zu machen.

Rattengift, Mottenkugeln und Holzschutzmittel können nicht nur Schädlinge eliminieren, sondern auch die menschliche Gesundheit gefährden. Viele der Biozide wirken im unmittelbaren Nahbereich der VerbraucherInnen, in der eigenen Wohnung. Andere gefährden Grundwasser und Weltmeere, wie etwa Anti-Fouling-Anstriche an Schiffswänden, die den Algenbefall stoppen sollen.

Bisher sehen nur vier EU-Mitgliedstaaten ein Genehmigungsverfahren für solche Produkte vor: Dänemark, Schweden, die Niederlande und Großbritannien. In Deutschland müssen lediglich die Wirkstoffe nach dem Chemikalienrecht geprüft werden. Das eigentliche Produkt, bei dem unter Umständen mehrere Wirkstoffe zu Synergieeffekten führen, kann jedoch ohne weiteres auf den Markt gebracht werden.

Im Mittelpunkt der geplanten Biozid-Richtlinie steht eine zentral geführte „Positivliste“ der zugelassenen Wirkstoffe. Die Kommission rechnet damit, daß es wohl zehn Jahre dauern wird, alle 400 derzeit auf dem Markt befindlichen Substanzen unter die Lupe zu nehmen. Nach einer Übergangszeit können nur noch Produkte auf den Markt gebracht werden, deren Wirkstoffe in der Positivliste enthalten sind.

Aus dem skandinavischen Recht stammt die Idee, daß Produkten die Zulassung dann versagt werden kann, wenn es Wirkstoffe gibt, die weniger Risiko für Mensch und Umwelt mit sich bringen. In Schweden ist diese „Alternativbewertung“ sogar eine Muß- Vorschrift. Ein Änderungsantrag, der die skandinavische Lösung konsequent einführen wollte, fand in Straßburg gestern allerdings keine Mehrheit. Mal wieder hatten die ParlamentarierInnen Angst vor der eigenen Courage.

Hiltrud Breyer von den Grünen geht selbst die schwedische Regelung nicht weit genug: „Warum werden nur chemische Wirkstoffe miteinander verglichen. Wenn auch Sandelholz gegen Motten schützt, dann braucht man doch keine chemischen Mottenkugeln.“ Christian Rath

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen