: Professionell finanzieren
■ Wer über Finanzierungsplanung gut informiert ist, wird seltener übers Ohr gehauen. Jede Kondition ist verhandelbar. Kostenfaktoren sind der Barwert, der Beleihungswert und die Gesamtkostenplanung
Die Grundlagen professioneller Finanzierungsplanung sind weder in emotional vernebelnden „Kauf- mich-Prospekten“ noch im Verbraucherkreditgesetz zu finden. Abgesehen von allzu plumpem Betrug und Wucher ist es also nicht verboten, Kunden durch Verschweigen von Expertenwissen zu schädigen.
Wenn der Immobilien-, Bauspar- oder Finanzierungsverkäufer mittels abschlußfördernden „Zahlenargumenten“ wie Nominal- und Effektivzinsangaben zur Maximierung seiner Provision oder zur Erfüllung hausinterner Zinsvorgaben eines Unternehmens gehalten ist, kann ein Finanzierungsexperte jeden Laien „reich rechnen“, damit der Kunde einen von ihm gepriesenen Vertrag unterschreibt. Um die Stufe rationaler Finanzierungsplanung eines professionellen Investors zu erreichen, ist die Kenntnis und Anwendung einiger Grundbegriffe unausweichlich, wenn private Bauvorhaben finanziert werden sollen.
Stichwort Barwert: Nur der Barwert zählt als zentrales Beurteilungskriterium des ökonomischen Vor- oder Nachteils der ausgewählten Finanzierungsbausteine Grundschuldhypothek, Bausparen und Versicherungs-Festdarlehen. Nur die zusammenfassende Berechnung aller Komponenten über den gesamten Finanzierungszeitraum – beispielsweise 25 Jahre – mittels transparenter Zins- und Tilgungspläne besitzt Aussagekraft. Inflationsbedingt ist die Mark heute noch mehr wert als in 20 Jahren. Der sich ergebende Bar- oder Kapitalwert aller zukünftigen, auf den heutigen Zeitpunkt diskontierten Zins- und Tilgungsströme von zum Beispiel 800.000 Mark ist eindeutig höheren Finanzierungsbarwerten vorzuziehen. Nach dem Auslaufen von fünf- oder zehnjährigen Zinsbindungen sollte der Berater als Planungsgrundlage mit einem langjährigen Hypothekenzins von etwa 8,5 Prozent bis zur vollständigen Entschuldung rechnen.
Beleihungswerte der Finanzierungsgeber und gegebenenfalls abweichende Immobilienwertgutachten sind entsprechend unterschiedlicher Beleihungsgrenzen einzubeziehen: Günstigere Effektivzinssätze von Versicherungen gegenüber Bank(annuitäten)darlehen lassen sich in der Regel nur zu etwa 40 bis 50 Prozent beleihen, während Banken bis zu 80 oder 90 Prozent beleihen und somit meist vorteilhafter sind.
Vorsicht ist bei dem Begriff des „anfänglichen, effektiven Zinses“ nach der Preisangabenverordnung geboten: Er beinhaltet nicht alle Kostenfaktoren wie Beleihungsgutachten, so daß Vergleich und Vorauswahl nur als testendes „Benchmarking“ – der Bestenauswahl – dienen kann. Nur der Barwert zählt und nur der „ehrliche Effektivzins“ (nach Bockholt/ Kraemer) oder Angaben nach AIBD (Association of International Bond Dealers) sind kostentransparent.
Zur Vermeidung erkennbar spekulativer Finanzierungsabenteuer sollten mindestens 20 Prozent, besser 40 bis 50 Prozent Eigenkapital vorhanden sein – aus steuerlichen Gründen muß nicht alles eingesetzt werden. Neben der Objektwürdigkeit mittels Beleihungswert dient die personenbezogene Bonitätsprüfung der Abschätzung der Finanzkraft aus Einkommen und Vermögen. Mit grober „Schnellformel“ kann dies jeder selbst abschätzen: 45 Prozent des bereinigten monatlichen Nettoeinkommens (ohne Zulagen) ergeben die maximale monatliche Belastungssumme. Daraus läßt sich die maximale Finanzierungssumme ableiten (x12x10:90x100). Diese ergibt (:80x100) den maximalen Kaufpreis des Objekts bei einem Eigenkapitalanteil von 20 Prozent.
Fehlt das Eigenkapital, kann durch entsprechende Anlage nach individuellem Risiko- und Renditeprofil sowie zeitlichem Horizont in Geldwerte wie Anleihen und Geldmarktfonds, aber auch in Substanzwerte wie Aktien oder offenen Immobilienfonds investiert und beispielsweise mittels Fondssparplänen ab einem monatlichen Einsatz von 50 Mark das erforderliche Eigenkapital aufgebaut werden.
Pauschale Eingrenzungen auf Bausparen versperren den Blick auf Opportunitätskosten, die bei jeder Anlageentscheidung zu bewerten sind: Ein höheres Renditeniveau von Aktien gegenüber Bausparen muß erfahrungsgemäß mit höherem Risiko „erkauft“ werden. Meßbare Risiko- und Volatilitätskennziffern geben darüber Aufschluß. Schlußendlich: Jede Kondition ist verhandelbar. Gute Finanzierungberater nennen ihr Honorar, das ab 150 Mark netto pro Stunde anzusetzen ist.
Michael Wagner
Der Autor ist Diplom-Ökonom und betreibt in Bremen ein Büro für Finanzplanung. Kontakt: Tel.: 0421/6930224
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