: Um den heißen Brei – Szenen der Liebe
■ „Mittsommernachtstraum“ inspiriert Thalia Treffpunktler zu „Puck & Co.“
Nicht eben heiße, aber gerade noch an einen lasziven Mambo erinnernde Rhythmen eröffnen den Abend. Die Jungakteure des Thalia Treffpunktes tanzen noch etwas schüchtern durcheinander. Es entsteht das Bild ungelenken Frohsinns. Diese Szene trägt den gut vermeidbaren, pädagogisch-methodischen Titel: „Ankommen“. Einstimmung auf das Stück. Doch die angepeilte Unbeschwertheit täuscht, denn es geht um handfeste Probleme Heranwachsender: Alles dreht sich um die Liebe, besser um das liebe Leid mit ihr.
Puck & Co, am Wochenende imTiK aufgeführt, ist kein in sich abgerundetes Stück, sondern eine Szenenfolge. Improvisationen und Einsprengsel aus Shakespeares Mittsommernachtstraum wechseln sich ab. Romantische Verwirrspiele des 16. Jahrhunderts und die Erfahrungen junger Heranwachsender der 90er Jahre stehen sich sprachlich kraus und kraß gegenüber.
Shakespeares Stück gibt dennoch den roten Faden vor: Vier verliebte Seelen erleben das Verlangen, die Enttäuschung und finden am Ende doch noch den oder die Richtige. Dank des gewitzten Elfen Puck, der zunächst mittels einer Zauberblume die Gefühle durcheinanderrüttelt – sehr zu seinem Spaß. Die Theaterpädagogin Marlis Jeske hat ausgewählte Szenen aus Shakespeares heiterer Komödie in Standbildern mit nur knappen Zitaten nachstellen lassen. Hin und wieder unterbrochen von hiervon inspirierten, eigenen Geschichten der jungen Akteure zwischen 14 und 23 Jahren. Auf ein Klacken von Puck wechseln die neun Schauspieler gekonnt ihre Bühnenidentitäten.
Es ist Sommer. Vier Mädchen spielen im Park Ball. Als eine den Ball verfehlt, bringt ein Junge ihn zurück. Über den Ball hinweg flirtet er ein Mädchen an. Erstaunt sehen die anderen seiner mutigen Annäherung zu.
Aber auch verpaßte Gelegenheiten oder der Schmerz über Ablehnung und Enttäuschung, die Unhaltbarkeit von Versprechen und die Verwirrung, die nicht nur gleichgeschlechtliche Liebe mit sich trägt, sind Themen der aneinandergereihten Schicksalsschnipsel. Die Darsteller sind so mutig, ihre Erfahrungen selbstironisch auf die Bühne zu bringen. Kompliment. Wenngleich ihr Agieren manchmal unfreiwillig komisch erscheint, so liegt die Kraft des Stückes doch in der von Zuschauern wie Akteuren gleichermaßen geteilten Vertrautheit mit dem Thema. Die Inszenierung setzt auf die Kraft der Assoziationen.
Was der Begriff „Szenenfolge“ allerdings unterschlägt, ist der Bruch im Ablauf des Abends: Genau besehen besteht die Aufführung aus zwei Teilen, die nur durch die große thematische Klammer „Liebe“ miteinander verbunden sind. Sind die ersten 30 Minuten noch rund und zeigen einen gekonnten Wechsel von Zitat und Improvisation, so stehen in der folgenden halben Stunde die Szenen mit nur schwer erkennbarem Bezug aneinander gereiht.
Wie zum Ende eines Schauspiels, stehen die Darsteller aufgereiht auf der Bühne und werden jeweils von den anderen mit ihrem richtigen Namen und einer für die anderen erkennbaren Charaktereigenschaft vorgestellt. Die Erinnerung an gutgemeinte Kennenlernspiele weckend, markiert diese Szene „Die persönliche Geste“ einen fraglichen Bruch. Schade, denn die Konzentration flaut ab und die Spannungskurve baut sich nur mühsam wieder auf.
Wie im Original enden die Liebeswirrnisse in allgemeinem Wohlgefallen. Das Ende ist jedoch zu pathetisch geraten. Der von allen zur Akustikgitarre gesungene Schmuse-Mutmacher-Ohrwurm „Love Is All Around“ - Come on and let it show! ist die Botschaft an die Zuschauer. So wird letztlich aus der Möglichkeit zur assoziativen Versenkung in eigene Erlebnisse eine heraufbeschworene schwülstige Gruppenerfahrung.
Britt-Kristin Feldmann
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