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Kahlschlag gegen Bürgerhäuser

■ Vergangene Woche beschlossen Haushälter klammheimlich einschneidende Kürzungen Soziokultur

„Handstreich gegen die Soziokultur“ nennt die frühere Grüne Kultursenatorin Helga Trüpel die Beschlüsse des Haushaltsausschusses. Nachdem zuerst das gute Klima mit dem Theater zerstört worden ist, sei jetzt die Soziokultur dran: „Das ist eine Demontage dessen, was wir in den Jahren der Ampel aufgebaut haben.“ 230.000 Mark sollen die Bürgerhäuser in dem laufenden Jahr 1996 noch einsparen, 120.000 das Kulturzentrum Lagerhaus, um nur die dicksten Brocken zu nennen. Hinter verschlossenen Türen sind mit solchen Beschlüssen die Haushaltsprobleme gelöst worden, die Betroffenen wissen eigentlich bis heute nichts davon, daß die Probleme in ihren Haushalt verschoben wurden.

Zuständiger Referent der Kulturbehörde für die Bürgerhäuser ist Wolfgang Lindemeyer. Kürzungen 230.000 Mark? „Das Gerücht habe ich auch gehört“, erklärte er gestern auf Anfrage der taz. Aber ob das stimmt, und wie es gemeint sein könnten, wenn es denn stimmt – genaues weiß er nicht. Anfang des Jahres hatte er den Bürgerhäusern mitgeteilt, was ihm die verantwortlichen Politiker gesagt hatten: im Etat 1996 wird dieselbe Summe stehen wie für 1995. Die Bürgerhäuser haben ihr Personal informiert, Verträge für Programme gemacht, Wirtschaftspläne vorbereitet, die April-Löhne sind auf dem Weg. Und dann das. „Ich fände das verheerend für die Bürgerhäuser“, sagt der Kultur-Referent, „schlechten Stil“ zudem: „Wie lange kann man sich auf Aussagen der Politiker verlassen?“

Der Geschäftsführer des Bürgerhauses Vegesack, Gerd Meyer, kennt auch nur die Gerüchte. Er ist „sauer“, „enttäuscht“, weil „die ständig weiter das, was noch funktioniert, auch kaputt machen“. Nirgends wird soviel ehrenamtliche Arbeit geleistet wie in den Bürgerhäusern. Keinen Pfennig Sitzungs- oder Fahrtgeld bekommt etwa der Bürgerhaus-Vorstand, selbstverständlich nicht („für Abgeordnete undenkbar“). Zwei Mal 60.000 Mark Kürzungen hat das Bürgerhaus schon hingenommen, und nun das. Seit drei Jahren immer nur Kürzungen, das Ende der Fahnenstange ist längst erreicht, Meyer kann es nicht mehr vermitteln: „Nun muß die Politik sagen, was sie nicht mehr will.“

Dasselbe Bild beim Bürgerhaus Weserterrassen. Rolf Baginski, ehrenamtlicher Geschäftsführer: „Wir haben uns mit unserem Programm auf die Zusagen Anfang dieses Jahres verlassen“, sagt er, und: „Das ist nicht mehr aufzufangen“. Wenn die Infrastruktur wegfällt, die wenigen Stellen für Hauptamtliche, dann haben auch die ehrenamtlichen Kräfte kein Gerüst mehr. Auch bei den „kleinen Initiativen“, die manchmal das Bürgerhaus nutzen, „ist brutal zugeschlagen worden“, weiß Baginski. Ihn hat die SPD-Politikerin Carmen Emigholz am Freitag angerufen, aber warum jetzt ausgerechnet bei den Bürgerhäusern so brutal gestrichen wird, als regierte die CDU allein die Kultur, das wußte sie auch nicht zu erklären. „Irgendwas stimmt in unserer Stadt nicht“, meint Baginski.

Helmut Plaß ist Finanzreferent des Trägervereins Lagerhaus Schildstraße, also so etwas wie der Finanzchef in diesem soziokulturellen Konzern. Kulturarbeit, Treffpunkt für Migranten, Jugendarbeit, Öko-Initiativen – eine einmalige Mischung ist unter dem Dach des Kulturzentrums Lagerhaus versammelt. „Dahinter steckt eine Gesamtidee.“ 120.000 Mark soll der Trägerverein in dem laufenden Jahr einsparen. Wieviel den Projekten und Gruppen zudem weggenommen wurde, die das Haus nutzen und mit Leben füllen, weiß bisher niemand genau zu beziffern. „Niemand hat uns informiert“, sagt Plaß: „Kulturpolitik findet zur Zeit oberhalb der Ebene der Fachreferenten statt. Fachliche Argumente spielen daher eine untergeordnete Rolle.“

Für das Kulturzentrum Lagerhaus befürchtet Plaß einen Domino-Effekt: auf jede Mark, die der Trägerverein bekommt und an seine Mitgliedsvereine weitergibt, „holen“ diese drei Mark Projektmittel aus anderen Töpfen. Und es gibt kaum eine ABM-Stelle, für die nicht ein bestimmter Eigenanteil bezahlt werden muß. Eigenanteil weg, ABM-Stelle weg. Ein akutes Beispiel: für die Breminale bereitet das Lagerhaus wieder ein Kulturprojekt unter dem Titel FLUT vor. Sechs Wochen vor der Breminale sind die Projektmittel immer noch nicht geflossen. Die Vorbereitung konnte nur laufen, weil das Lagerhaus in Vorleistung getreten und mit einem eigenen Anteil beteiligt ist. Wird die Sockelfinanzierung des Lagerhauses weggerissen, drohen auch Projektfinanzierungen zu kippen. „Inhalt und Programm des Kulturzentrums Lagerhaus sind gefährdet“, sagt Plaß. Im Februar war die Behörde mit 30.000 Mark Kürzungen gekommen, man hatte das hingenommen. Im März nochmal 50.000 Mark gekürzt, man hatte das hingenommen. Jetzt zusätzlich 120.000 Mark? Und alles für das laufende Haushaltsjahr 1996, das schon zu einem Drittel herum ist? „Unter solchen Bedingungen kann man nichts mehr planen und organisieren“, sagt Plaß resigniert.

Fünfzehn Jahre Arbeit, in denen das vierstöckige Haus instandgesetzt, ausgebaut und renoviert wurde und die Programm-Vielfalt des Kulturzentrums Stück für Stück gewachsen ist, stehen auf dem Spiel. Aber eigentlich und offiziell wissen die Leute aus dem Lagerhaus bisher nichts von irgendwelchen Beschlüssen des Bremer Haushaltsausschusses vom vergangenen Donnerstag. K.W.

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