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In Jerusalem ist der Krieg weit weg

■ Israel feiert Unabhängigkeit. Der Libanon spielt kaum eine Rolle

Jerusalem (taz) – Jerusalem gibt sich nationalbewußt. An den Seitenfenstern der Autos weht die israelische Nationalflagge, der Davidstern mit zwei blauen Streifen auf weißem Grund. Besonders patriotische Israelis haben mehrere Fähnchen an ihrem Auto befestigt. Das hat nichts mit dem Wahlkampf zu tun und ist auch nicht als Unterstützung der eigenen Truppen im Libanon-Krieg zu verstehen. Heute beginnen in Israel die Feiern zum Unabhängigkeitstag. „Wir sind einfach froh und stolz“, sagt ein 50jährige Autofahrer. Trotz des Krieges im Libanon.

Ansonsten ist die Stimmung eher gelassen – weder herbe Vorwürfe auf arabischer Seite noch harsche Töne auf israelischer Seite. Ein 18jähriger Israeli, der gerade Abitur gemacht hat und auf die Einberufung wartet, meint gleichwohl, daß die israelische Armee auf Dauer im Libanon bleiben müsse: „Man weiß nie, was passiert“, sagt er. „Die Syrer werden die Hisbollah nicht stoppen und die libanesische Armee schon gar nicht.“ Er unterstützt den rechten Likud-Block im Wahlkampf und wird seine Stimme dem Peres-Herausforderer Benjamin Netanjahu geben. Aber er ist davon überzeugt, daß Peres die Libanon-Aktion letztlich Erfolg bei den Wahlen bescheren wird: „Peres hat jetzt wieder die Nase vorn.“

Der arabische Inhaber eines kleinen Cafés am Jaffa-Tor tippt darauf, daß die libanesische Armee mit französischer Unterstützung die Hisbollah unter Kontrolle bringen werde. „Aber der eigentliche Stoß richtet sich gegen den Iran“, sagt er. „Zehn Tage vor den Wahlen werden Israelis und Amerikaner einen Schlag gegen den Iran unternehmen, so wie 1985 gegen den irakischen Atomreaktor.“

„Wir sind die humanste Armee dieser Region“

Ein Inspektor der israelischen Stadtverwaltung, der während der israelischen Libanon-Invasion 1982 drei Jahre in dem nördlichen Nachbarland Dienst getan hat, sieht das eigentliche Problem ebenfalls im Iran. „Wenn sie eine Atombombe haben, werden sich auch noch einige andere umschauen.“ Auf die wachsende Kritik an Israel wegen der Tötung von über hundert Zivilisten im UNO- Stützpunkt Kana zuckt er nur mit den Schultern: „Ich weiß nicht, wie und warum das passiert ist, das kann viele technische Gründe haben. Aber wir sind die humanste Armee dieser Region.“

Auch eine freundlich lächelnde israelische Polizistin mag sich zu keiner Kritik an ihrer Regierung hinreißen lassen. „Wir hoffen nur, daß das Töten und die Kriege bald ein Ende haben werden“, sagt sie. Die vier weiblichen und männlichen israelischen SoldatInnen, die immer noch die Bushaltestellen in Jerusalem bewachen, wollen sich nicht äußern. „Wir haben den Befehl, dazu nichts zu sagen“, erklärt ein Offizier. Es ist der Patrouille sichtlich angenehmer, sich mit mehreren blonden Schwedinnen fürs Foto zu gruppieren.

Vertreter der christlichen Kirchen wollen ebenfalls nichts sagen: „Wir leben hier. Wir mischen uns nicht in die Politik ein“, sagt ein weißhaariger Pater im Vorbeigehen. Gelangweilt steht ein Palästinenser im christlichen Viertel der Altstadt vor seiner Werkstatt. Der 46jährige Vater von vier Kindern meint: „Jeder Krieg führt nur dazu, daß die Großen sich die Taschen füllen. Meine Familie lebt schon seit Jahrhunderten in Jerusalem. Und wir wissen, daß wir Frieden brauchen für alle, Juden, Christen und Muslime.“ Georg Baltissen

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