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Eßt Kinder, ehe es zu spät ist! Von Susanne Fischer

Zigarettenwerbung im Fernsehen ist verboten, Alkoholwerbung wird nicht gern gesehen und Dope ohnehin nicht beworben. Heftig erlaubt sind dagegen leider Reklame mit Gesang und Spots mit Kindern. In der ersten Kategorie dürfen wir unter die Spitzenreiter des Blödgrölens natürlich „Sail away...“ zählen, weil dort inzwischen das Lied zur Botschaft durchgetrimmt wurde. Denn Bier kann man in Wahrheit nicht bewerben, man muß es einfach trinken. Manchmal singt man hinterher, meistens wird aber eher ordentlich was weggerülpst. Schön dumm auch „Maggi, Maggi, Pasta, Pasta“ oder so ähnlich, für die lieben Depperln unter uns, die alles immer erst beim zweiten Mal mitkriegen. Ja, vor jedem Werbeblock sollte Frau Nolte warnen, daß jener mediale Sondermüll, der uns gleich um Ohren und Augen geblasen wird, BSE-ähnliche Symptome erzeugt. Aber wir waren beim Gesang. Spaghettiköchinnen ergehen sich in Opernarienimitationen. Warum? Keiner ahnt's. Nein, das Tertium comparationis ist nicht Italien, denn dann könnten sie auch beim Kochen Fiat fahren oder Oliven anbauen. In Wahrheit soll uns südliches Gefühl und Temperament vorgegaukelt werden, und wie beides „letztlich“ alles eine Frage der Nudel sei. So, so.

Danach kommen dann – logisch – die Kinder. Im Werbeblock zahnen sie rücksichtslos ins Bild und backen ihren Reklamemamas Sanella-Torten zum Geburtstag. Sie laufen mit Hunden in der Natur herum, als seien sie dafür gemacht und würden nicht lieber mit dem Gameboy und der Chipstüte vor der Glotze rumhängen und Rülpswettbewerbe veranstalten, wie alle lieben Kleinen, die ich kenne. Früher dachte ich, daß die echten Eltern dieser zum Zähneblecken gezüchteten Nachwuchsnervensägen umgehend eingesperrt werden sollten, weil sie vermutlich häßlich, eitel, dick und doof sind und auch noch von allem zuviel. Das mit der Bestrafung klappt aber nicht, weil die Bälger längst keine Eltern mehr haben, auch wenn sie das beispielsweise in der verabscheuungswürdigen neuen Merdedes-Werbung (mein Vater hat eine größere Nudel als deiner) behaupten. Sie werden vielmehr als Zöpfchenträgerinnen und Grinseaffen allesamt geklont und unter der Aufsicht des deutschen Werberats dressiert. Schließlich würde keine Mutter, kein Vater freiwillig dem eigenen Nachwuchs derart würdelose Vorführungen zumuten. Nein, nein und nochmals nein.

Vorbild dieser gefühllosen Konsumzwerge, die heutzutage sogar schon für Faxgerätereklame herhalten müssen, sind Hänsel und Gretel, wie sie einst bei der Hexe im Käfig saßen und Werbung für Hühnerknochen machten. Alten Weibern kann man schließlich alles andrehen. Dem Einfluß ihrer Eltern waren die Gören zuvor entzogen worden. Seit die Genforschung Fortschritte gemacht hat, gibt es im Hexenkäfig unserer Werbeblöcke nun auch noch das singende Kind, das für Nudelsoße wirbt. Das ist ungefähr wie ein Mercedes, der obendrein nach Schokolade schmeckt, nämlich perfekt, aber irgendwie nicht gut. Eines Tages wird ein singendes Nudelkind auch aus deinem Fernseher kriechen und alles schlucken, was du nicht schnell genug wegräumen kannst. Sein Lied aber wird lauten: „Ich wär' so gerne Aktionär“. Antworte du gelassen mit: „Und ich bin Kannibalin.“

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