: SPD: Kein Mumm zum großen Sprung
■ Sozialdemokraten in Schwerin stimmen der umstrittenen Werftenfinanzierung zu. Ihr Ultimatum für den Rücktritt der CDU-Finanzministerin Kleedehn verstreicht ergebnislos. Große Koalition scheint gerettet, PDS ist enttäuscht
Schwerin (taz) – Pack schlägt sich, Pack verträgt sich, und Politiker machen es ebenso. Trotz eines wochenlang schwelenden Koalitionsbrands haben SPD und CDU in Mecklenburg-Vorpommern gestern eine wichtige Entscheidung im Kabinett gemeinsam getroffen. Sie billigten den sogenannten „Werftenkompromiß“; dieser sieht vor, daß die finanziellen Lasten zur Rettung der ostdeutschen Werften zwischen Bund und Land aufgeteilt werden. Der Bund übernimmt mit 650 Millionen Mark rund zwei Drittel der Kosten, das Land mit den restlichen 350 Millionen rund ein Drittel.
Zugleich, das versprach Wirtschaftsminister Harald Ringstorff (SPD), werde mit „Hochdruck“ an einem Nachtragshaushalt gearbeitet. Noch bis zuletzt hatte sich seine CDU-Widersacherin Bärbel Kleedehn geweigert, den Nachtragshaushalt für die Werften vordringlich und gesondert zu behandeln. Das Geld, das das Land aufbringen muß, solle ausschließlich über Kredite finanziert werden, so Ringstorff. Eine andere Alternative gebe es nicht.
Was das Kabinett jetzt einstimmig beschlossen hat, war Anlaß für die schwerste Krise der seit 1994 bestehenden Großen Koalition in Schwerin. Kurz vor Ostern hatte CDU-Finanzministerin Kleedehn den Werftenkompromiß in Bonn ausgehandelt. Ohne Mandat und gegen Absprachen im Kabinett, schimpfte die SPD anschließend – und stellte ein Ultimatum zum Rücktritt der Finanzministerin. Sollte Kleedehn bleiben, wolle man aus der Koalition aussteigen, so die Drohung.
Doch das Ultimatum ist inzwischen ohne Ergebnis verstrichen. Zwar betonten die Sozialdemokaten bei einer Sitzung des Koalitionsausschusses am Montag abend, daß man auf den Rücktritt Kleedehns bestehe. In einer Sechs-Punkte-Erklärung stellten beide Seiten jedoch zugleich fest, daß sie die Fortsetzung der Großen Koalition wünschten. Die CDU forderte von der SPD, künftig nicht mehr mit der PDS im Landtag zu stimmen. Die Sozialdemokraten wollen erreichen, daß Ministerpräsident Berndt Seite (CDU) künftig Kabinettsbeschlüsse auch durchsetzt. Bei der nächsten Sitzung des Koalitionsausschusses am morgigen Donnerstag sollen offene Fragen behandelt werden.
Für das Einlenken der SPD gibt es zahlreiche Gründe. Die Stimmung unter den WerftarbeiterInnen, von denen in der nächsten Zeit noch einmal 800 entlassen werden sollen, ist denkbar schlecht. Trotz fehlender Koalitionsräson auf seiten der CDU sanken die Sympathiewerte für die SPD beträchtlich. Weder von einem konstruktiven Mißtrauensvotum noch einer Duldung durch die PDS oder Neuwahlen durfte sich die SPD in den letzten Tagen offenbar viel versprechen.
Die PDS, die der SPD die Unterstützung für ein Mißtrauensvotum gegen Ministerpräsident Berndt Seite angeboten hatte, äußerte sich enttäuscht über den Ausgang der Sitzung des Koalitionsausschusses. Die SPD sei nicht mehr berechenbar. Die Fraktionsvorsitzende der PDS, Caterina Muth, bezeichnete die SPD als „klassische Umfaller“ und als „Weichwürste“. Die Sozialdemokraten stünden nicht zum mit einer SPD/PDS-Mehrheit gefaßten Landtagsbeschluß der vergangenen Woche, der Kleedehn zum Rücktritt aufforderte. „Die nächste Regierungskrise ist absehbar“, sagte Muth. Sie erneuerte aber ihr Angebot an die SPD zur Zusammenarbeit. Bascha Mika Seite 4
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen