: Agrarbetrüger im Visier der EU
Die Europäische Union will mit schwarzen Listen gegen betrügerische Agrarhändler vorgehen. Doch die neue Verordnung hat Lücken ■ Aus Brüssel Christian Rath
Mit „schwarzen Listen“ will die EU bald wirksamer gegen Agrarbetrüger vorgehen. Schon der Name soll abschreckend wirken. Gestern verabschiedete die Kommission eine entsprechende Verordnung. Ab Juli dieses Jahres soll das neue Meldesystem greifen. Ins Visier der Betrugsbekämpfung sind dabei vor allem die Händler von landwirtschaftlichen Produkten geraten, weniger die Landwirte selbst.
Ein typischer Fall: Der Exporteur gibt an der Grenze an, er wolle hochwertiges Rindfleisch ausführen, tatsächlich hat er aber nur Fleischabfälle geladen. Wird er nicht erwischt, bekommt er für die Ausfuhr der wertlosen Abfälle Exporterstattungen von der EU. Wird er ertappt, muß er jedoch damit rechnen, daß er beim nächsten Auftauchen besonders kritisch unter die Lupe genommen wird. Seine lukrativen Betrügereien könnte er dann einstellen.
Bisher mußten sich betrügerische Händler allerdings keine grauen Haare wachsen lassen. Sie konnten einfach in ein anderes Mitgliedsland ausweichen und fürderhin beim dort zuständigen Zollamt die Ausfuhrerstattungen beantragen. In Rotterdam beispielsweise ist der ertappte Händler nicht bekannt und wird folglich nicht strenger kontrolliert als jeder andere Exporteur.
Hier sollen ab 1. Juli die schwarzen Listen helfen. Verdächtige Exporteure können dann über eine Datenbank europaweit identifiziert und entsprechend gründlich kontrolliert werden.
Diese Vernetzung der Zahlstellen wird durch zwei weitere Maßnahmen ergänzt. Zum einen sollen künftig im Verdachtsfall die Zahlungen der EU schneller ausgesetzt werden. Die Kommission hat nämlich erhebliche Schwierigkeiten, zu Unrecht geleistete Beträge zurückzufordern. Mit über 2 Milliarden Mark stehen ertappte Agrarbetrüger derzeit bei der Kommission in der Kreide. Wird das Geld im Verdachtsfall erst gar nicht ausbezahlt, kann sich die Europäische Union langwierige Prozesse sparen.
Noch einschneidender ist die dritte Maßnahme im Anti-Betrugs-Paket. Ist der Betrug rechtskräftig festgestellt, kann der Händler für einen bestimmten Zeitraum von weiteren EU-Erstattungen ausgeschlossen werden. Die Entscheidung hierüber fällt nicht die Kommission, sondern der Heimatstaat des Exporteurs. „Dabei ist allerdings immer der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten“, erklärt der Hohe-Kommissions- Beamte Franz Eppe, der geistige Vater des Meldesystems. Es wird also keine Regelung geben, daß ertappte Händler automatisch von weiteren Zahlungen ausgeschlossen werden.
Und auch sonst hat die Verordnung noch manche Lücken. Da sie als Pilotprojekt angelegt ist, gilt sie nicht im gesamten Agrarbereich. Erfaßt werden nur Ausfuhrbeihilfen, der Verkauf von Erzeugnissen, für die die EU bereits Zuschüsse gegeben hat, und Ausschreibungen. Nach Ansicht der Kommission sind das allerdings die gefährdetsten Bereiche.
Außerdem gibt es eine sogenannte Bagatellgrenze, um das neue System nicht zu überlasten. Es sollen nur Betrugsfälle erfaßt werden, deren Volumen den beachtlichen Betrag von rund 200.000 Mark übersteigt.
Soweit die absichtlich in Kauf genommenen Lücken. Weitere Schlupflöcher werden sicher die Agrarbetrüger finden. Naheliegend ist etwa der Einsatz von Strohmännern. Wer einmal ertappt wurde, macht die eigene Firma einfach dicht und läßt etwa seinen Neffen eine neue, unverdächtige Firma gründen. Gegen solche Tricks hilft letztlich nur der kriminalistische Spürsinn der Zollbeamten.
Doch Franz Eppe glaubt, daß die schwarzen Listen in den Handelsfirmen durchaus Wirkung zeigen werden: „Ich bin sicher, daß diese Verordnung die Firmen zum Nachdenken anregen wird.“ Denken und Handeln fallen allerdings manchmal auseinander.
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