: „Krise im Kopf“
■ Wohin entwickelt sich Bremen? Illustre Diskussionsrunde beim Bund der Architekten
An der Bahnstrecke Hamburg-Ruhrgebiet wird in der Hemelinger Marsch ein Haltepunkt gebaut, weil sonst die ICEs an Bremen vorbeisausen. Daneben entsteht das Messegelände, und der Space-Park wird nicht im abgelegenen Gröpelingen hochgezogen, sondern direkt an der europäischen Verkehrsachse: Visionen von Planern wie dem Bremer Vorsitzenden des Bundes Deutscher Architekten (BDA), Harm Haslob, die vom Stückwerk in der Stadtentwicklungspolitik die Nase voll haben.
Eine illustre Runde aus Wirtschaft, Kultur, Verwaltung und Politik hatte sich am Mittwoch abend auf Einladung des BDA im Designhaus an der Universität zusammengefunden, um ohne Parteiraison über Sinn und Unsinn der Projekte des Investitionssonderprogramms (ISP) zu reden. Denn eines war allen klar, die den Referaten des grünen Ex-Stadtentwicklungssenators Ralf Fücks und des Wirtschaftsstaatsrats Frank Haller lauschten: Die jährlich 1,8 Milliarden des ISP eröffnen Bremen gewaltige städtebauliche Gestaltungsspielräume. Doch der Sponsor Bund will bald Sinnvolles sehen.
Aber welche Art von Attraktivität hält die Menschen in der Stadt und zieht überdies die private Investoren an? Ist es die von Fücks im Gegensatz zur „Ver-oyt(en)isierung“ Bremens (“800 Eigenheime in der Schlafstadt Borgfeld-West“) propagierte „Weiterentwicklung der urbanen Qualität von innen heraus“, die Expansion in die alten Hafenreviere anstatt „in die Fläche“ und die Förderung von Branchen wie Medien und maritimer Technologie?
Oder liegt Haller richtig, der endlich zukunftsorientierte Verkehrsinfrastruktur bauen und Gewerbegebiete erschließen will? Fehler wie beim Güterverkehrszentrum, das heute an der fehlenden Straßenanbindung leidet, dürften sich nicht wiederholen. Attraktiv sei Bremen nur, wenn die Rahmenbedingungen für private Investoren attraktiv seien. Doch den Planern ging es um Kreativität und nicht um Gegensätze zwischen Beton und Grün: In Bremen würden viel zu lange „Schwachsinnskonzepte weiterverfolgt, die sich festgefressen hätten“, rügte BDA-Vorstand Thomas Klumpp. So sei heute der Stau um den Weserpark ein viel größeres Problem für Hemelingen als der Verkehr zum Daimler-Werk, den der Hemelinger Tunnel aufnehmen soll. Eine Straßenbahnlinie 6 nach Lilienthal sei langfristig günstiger als die Linie 4, und die Bürgerweide biete keine Entwicklungschancen für ein Messegelände. Haller dazu: „Wenn wir endlich ein Projekt politisch durchgesetzt haben, müssen wir es auch bauen. Schon wegen des Eindrucks auf Bonn“.
Einig war sich die Runde in der Kritik am üblichen Zerreden von guten Ideen. „Der Kern der Bremer Krise liegt im Kopf“, faßte Fücks zusammen. Sein Vorwurf des „Strukturkonservativismus“ traf die Handelskammer ebenso wie die eigene Klientel. jof
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